ülverchen
Als Kind regte mehr als alles andere der Giftschrank in
der Apotheke meines Großvaters meine Phantasie an. Die kleinen Etiketten
mit ihren Namen, sei es eines Schicksals wie das Atropin, sei es eines
Magiers wie das Strophantin, sei es eines asiatischen Kriegers wie das
Kalomelan, zogen mich unwiderstehlich an. Von jedem dieser weißen Pülverchen,
von jedem dieser Salze wollte ich den Grad der Giftigkeit wissen, und mein
Großvater, der mich aus Angst vor einem dummen Streich von ihnen fernhielt,
erklärte mir ihre verschiedenen tödlichen Wirkungsarten, sprach von den
Pflanzen, aus denen sie extrahiert werden, von den Mineralien, aus denen
man sie gewinnt, und den fernen Ländern, aus denen sie stammen. Einige
von ihnen hatte er selbst aus dem fernen Orient mitgebracht. Da gab es
ein Kristall, blond wie deine Haare, das Cimbaam hieß und aus Java stammte.
Bei der Berührung drang es durch die Haut, tötete nicht sofort, sondern
versetzte den Betreffenden für Monate in einen Fieberzustand, eine Art
von Wahnsinn, die nur selten zu heilen war. - Pitigrilli, Ein Mensch jagt nach Liebe. Reinbek bei Hamburg
1987 (zuerst 1929)
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