Plastiksack  «Ich habe eine Phantasie darüber, wie ich einmal sterben werde. Ich nehme an, daß auch Sie auf ihrer Lohnliste stehen, aber das soll mir egal sein. Hören Sie zu. Es ist drei Uhr früh auf dem Santa-Monica-Freeway, eine warme Nacht. Alle meine Fenster sind offen. Ich fahre so um die 70, 75 Meilen. Der Fahrtwind bläst herein und hebt hinten, vom Boden im Fond, einen hauchdünnen Plastiksack auf, einen ganz gewöhnlichen Plastiksack von der chemischen Reinigung: er kommt durch die Luft geschwebt, von hinten nach vorne, weiß wie ein Gespenst im Licht der Quecksilberdampflampen ... er stülpt sich über meinen Kopf, so zart und durchsichtig, daß ich ihn kaum bemerke, bis es zu spät ist. Ein Leichentuch aus Plastik, das mich zu Tode erstickt ...»  - Thomas Pynchon, Die Enden der Parabel. Reinbek bei Hamburg 1981

Plastiksack (2)  Vergeblich zog ich den Plastiksack hoch, er reichte gerade bis an den Hals von Jojo, der Kopf blieb draußen. Die andere Möglichkeit war, ihn Kopf voran in den Sack zu stecken, aber das löste mein Problem nicht, weil dann die Beine rausragten. Die Lösung wäre gewesen, ihm die Knie zu brechen, aber so sehr ich auch drückte und mit Fußtritten nachhalf, die steifgewordenen Beine rührten sich nicht, und als ich es schließlich doch schaffte, knickten Beine und Sack gemeinsam ein, und so war er noch schwieriger zu transportieren, und der Kopf ragte noch weiter raus als vorher.

»Wann schaff ich's endlich, dich loszuwerden, Jojo?« sag ich zu ihm, und jedesmal wenn ich ihn umdrehte, hatte ich wieder sein blödes Gesicht vor mir, das flotte Menjoubärtchen, das pomadeglänzende Haar, den Krawattenknoten, der aus dem Sack schaute wie aus einem Pullover, ich meine so einen Pullover aus den Jahren, an deren Mode sich Jojo weiter gehalten hatte. Er war vielleicht etwas verspätet zu dieser Mode gekommen, als sie schon überall aus der Mode war, aber weil er als Junge die Typen beneidet hatte, die sich so ausstaffierten, von der Pomadefrisur bis zu den schwarzen Lackschuhen mit weißen Kappen, hatte er diese Aufmachung mit Erfolg gleichgesetzt, und als er dann selber erstmal Erfolg hatte, war er viel zu sehr damit beschäftigt, um zu merken, daß die tollen Typen inzwischen ganz anders aussahen.

Die Pomade hielt gut; auch als ich kräftig auf seinen Schädel drückte, um ihn in den Sack zu stopfen, behielt die Frisur ihre kappenartige Rundung und teilte sich nur in kompakte Strähnen, die bogenförmig nach oben standen. Der Krawattenknoten war ein bißchen verrutscht; ich rückte ihn unwillkürlich gerade, als ob eine Leiche mit verrutschter Krawatte auffälliger wäre als eine adrette Leiche.  - Italo Calvino, Wenn ein Reisender in einer Winternacht. München 2007 (Zuerst 1979)

Plastiksack (3) »bSchauufeln Sie weiter, Mann, und hoffen Sie, daß, was immer uns erwartet, in einem Plastiksack steckt.«

Mit den Senkern hatte ich einmal einen Polizisten zu Grabe getragen, der angeshossen worden und dann gestorben war, als sie ihm die Kugel rausholen wollten. Die Verwandten hatten darauf bestanden, den Tioten noch einmal zu sehen, obwohl der Bestatter fast  auf den Knien vor ihnen rumgerutscht war. Wegen der Obduktion hatte es noch länger gedauert als sonst, bis die Beerdigung angesetzt werden konnte. Selbst gekühlt kein schöner Anblick, glauben Sie mir. Eigentlich überhaupt kein Anblick mehr. Der Bestatter hatte die Überreste in eine Plastikhülle schweißen lassen, um das Schlimmste zu verbergen. Er hatte allerdings vergessen, seinen Leuten klare Anweisungen zu geben. Sie hatten wie üblich, wenn eine Leiche in ihrem Kühlraum geschützt werden mußte, eine durchsichtige Hülle verwendet. Woran ihr Chef nicht gedacht hatte, als er uns den Sarg öffnen ließ. Die Beerdigung fand dann ohne Angehörige statt. Ein paar waren bei dem Anblick des Toten aus den Latschen gekippt. Der Rest wollte nicht hinter einem wimmelnden Haufen weißer Maden herlaufen. - Thorsten Tornow, Tod eines Trebers. Berlin 1999

Sack

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