ationalpark
Der Anthropologe Colin Turnbull hat im Norden Ugandas
den Stamm der Ik studiert. Es war ein Jägerstamm, dem von der Regierung das
Jagen unmöglich gemacht wurde, als sie sein Jagdgebiet zum Naturpark erklärte.
Seitdem lebt er in äußerstem Elend, und in dieser fortgesetzten äußersten Notlage
sind seine sozialen Einrichtungen und die meisten seiner sozialen Beziehungen
zusammengebrochen. Keiner sorgt mehr für den anderen, Eltern werfen ihre Kinder
hinaus, Frauen ihre Männer, Männer ihre Frauen, Erwachsene ihre Eltern, keiner
sorgt für Kranke und Hilflose, Achtung vor Schmerz und Tod gibt es nicht, kein
Mitleid, nur Schadenfreude, es gibt keine gemeinsamen Unternehmungen mehr, niemand
hat mehr Lust, Häuptling zu sein, jeder lebt in einer stachelbewehrten Hütte,
bereit, einen etwaigen Eindringling zu erschlagen. Was sich in diesem »Verhaltenssumpf«
erhalten hat, worauf trotz allem Verlaß ist, ist die Sicherheit, mit der sich
das Gefühl der Verpflichtung einstellt. Manchmal versucht einer, dem anderen
ein Geschenk zu machen. Wenn irgend möglich, wird es abgewehrt. Denn ein Geschenk
annehmen heißt: dem anderen verpflichtet sein, ihm irgendwann von der wenigen
Nahrung, die man selber noch findet, etwas abgeben müssen. -
Dieter E. Zimmer, Ko Maru kai atu ... in: Tintenfass 4, Zürich 1981
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