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Severos Bruder kam mit der Acetylenlampe herein, er machte die Deckenbeleuchtung
aus und schob den Nachttisch bis ans Fußende des Bettes; als er die Lampe auf
den Nachttisch stellte, verstummten wir und rührten uns nicht mehr, sahen Se-vero
an, der sich inmitten seiner Kopfkissen halb aufgesetzt hatte und von den vorangegangenen
Phasen nicht allzu ermüdet zu sein schien. Nun kamen die Motten durch die Tür
herein, und jene, die bereits an den Wänden oder an der Decke saßen, gesellten
sich zu denen, die nun um die Acetylenlampe herumflatterten. Mit weit aufgerissenen
Augen verfolgte Severo den immer größer werdenden aschgrauen Wirbel, und er
schien für diese starre Betrachtung all seine Kräfte aufzubieten. Eine der Motten
(sie war sehr groß, und ich glaube, in Wirklichkeit war es ein Nachtfalter,
aber diese Phase war nun einmal die der Motten, und niemand hatte eine andere
Bezeichnung akzeptiert) löste sich von den anderen und flog direkt auf Severo
zu; sie setzte sich auf seine rechte Wange, und Severo schloß für einen Augenblick
die Augen. Eine nach der anderen verließen die Motten die Lampe und schwirrten
um Severo herum, setzten sich ihm ins Haar, auf den Mund und auf die Stirn,
bis sie seinen Kopf in eine riesige brodelnde Maske verwandelt hatten, nur die
Augen waren noch die seinen und fixierten trotzig die Lampe, die eine letzte
Motte besessen umkreiste. Ich spürte, wie sich Ignacios Fingernägel in meinen
Arm gruben, und erst da merkte ich, daß auch ich zitterte und mich mit einer
Hand an Bebes Schulter klammerte. Jemand stöhnte, eine Frau, wahrscheinlich
Manuelita, die sich nicht so zusammennehmen konnte wie die anderen, und im selben
Augenblick flog auch die letzte Motte auf Severo zu und verlor sich in dem grauen
Gewimmel. Alle stießen wir einen Schrei der Erleichterung aus, umarmten uns,
klopften uns auf die Schulter, und Severos Bruder beeilte sich, die Deckenbeleuchtung
wieder anzumachen; eine Wolke von Motten suchte tölpisch den Ausgang, und Severo,
dessen Gesicht wieder frei war, betrachtete weiter die jetzt unnütze Lampe und
bewegte vorsichtig die Lippen, so als fürchtete er, sich mit dem silbrigen Staub,
der sie bedeckte, zu vergiften. - Julio Cortázar, Die Phasen von
Severo. In: J. C. , Beleuchtungswechsel. Ertählungen Bd. 3 Frankfurt am
Main 1998
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