armormißbrauch
Unter allen Werken des Praxiteles, ja unter allen ähnlichen
Arbeiten in der ganzen Welt steht seine Venus
obenan, um derentwillen viele Menschen nach Gnidus reisten. Er hatte nämlich
zwei Exemplare gemacht und verkaufte sie zugleich, die eine, verhüllte, an die
Coer, welche sie der andern, die ihnen um denselben Preis zu Gebote stand, vorzogen
und dadurch zu erkennen geben wollten, ihre Wahl sei von Strenge und Zucht diktiert
gewesen; die andere, verworfene, an die Gnidier, aber wie unendlich berühmter
wurde diese letztere! Später wollte sie der König Nicomedes den Gnidiern abkaufen
und erbot sich, alle Schulden der Stadt — und diese waren sehr bedeutend — zu
bezahlen; allein sie wiesen seinen Antrag zurück, wollten lieber alles ertragen
als die Venus missen und taten daran nicht unrecht, denn dieses Werk des Praxiteles
hat Gnidus berühmt gemacht. Die Kapelle, worin die Göttin steht, wird rundum
geöffnet, damit man ihre Gestalt vollkommen sehen kann, und man glaubt, sie
selbst finde Gefallen daran. Von welcher Seite man sie auch betrachtet, überall
erfüllt den Beobachter Bewunderung. Man erzählt, jemand sei von Liebe zu dieser
Statue so entbrannt worden, daß er sich nachts
bei derselben versteckt gehalten, sie umfaßt und die Beweise seiner Geilheit
durch noch vorhandene Flecken zurückgelassen habe. Zu Gnidus befinden sich noch
andere Marmorstatuen berühmter Künstler, wie ein Bacchus von Bryaxis, ein Bacchus
und eine Minerva von Scopas; aber von allen diesen ist, der Venus des Praxiteles
gegenüber, gar keine Rede, und das erscheint wohl als der beste Beweis für den
unendlich höhern künstlerischen Wert der letztern. Von Praxiteles ist auch ein
Cupido vorhanden, um dessentwillen Verres Thespiae besuchte (was ihm Cicero
zum Vorwurfe machte) und der sich jetzt in der Galerie der Octavia befindet.
Ein anderer, nackter Cupido desselben in der Kolonie Parium im Propontis hat
mit der gnidischen Venus dieselbe Berühmtheit und Beschmutzung gemein; der Rhodier
Alcetas war es nämlich, welcher an diesem die Spuren seiner Geilheit
zurückließ. - (pli)
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