och
ohne Boden
Wie ich ihn von mir schob, sah ich, daß sein Gesicht verbrannt und augenlos
war. Entsetzt wollte ich weitergehen, die Treppe hinauf, in mein Zimmer, aber
Berger ließ mich nicht los, er umklammerte mich und schrie, er habe in die Sonne
gestarrt, um Gott zu schauen, und wie er Gott erblickt habe, sei er sehend geworden,
vorher sei er blind gewesen, aber nun sehe er, sehe er, und dies schreiend,
riß er mich nieder, worauf wir auf die Treppe zu liegen kamen, die zu meinem
Zimmer führte. Ich weiß nicht, was er mir alles erzählte, ich war zu betrunken,
um es zu begreifen, wahrscheinlich war es Unsinn, was er vom Innern der Sonne
schwatzte, von der totalen Finsternis, die dort herrsche, die eins sei mit der
Verborgenheit Gottes, die man nur zu erkennen vermöge, wenn man sich von der
Sonne die Augen ausbrennen lasse, erst dann nehme man wahr, wie sich Gott als
dimensionsloser Punkt vollendeter Schwärze im Sonneninnern vertiefe, mit unendlichem
Durst die Sonne in sich aufsauge, in sich hineinschlürfe, ohne größer zu werden,
als sei er ein Loch ohne Boden, der Abgrund des
Abgrunds, und wie sich die Sonne nach innen entleere, so weite sie sich aus,
noch bemerke man nichts, doch morgen halb elf Uhr nachts werde es soweit sein,
die Sonne werde, nur noch Licht geworden, aufstrahlen und sich ausweiten, mit
Lichtgeschwindigkeit, und alles versengen, die Erde werde im ungeheuren Lichtschein
verdampfen. - Friedrich Dürrenmatt, Justiz. Zürich 1987
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