Krankenbett    Eine hagere, auf Kissen gestützte Frau, die sich so verzweifelt in sitzende Haltung gebracht hatte, daß die Bettlaken sich in einem unordentlichen Haufen um ihre Knie schlangen, beugte sich mit einem fürchterlich starren Blick nach vorn. Sie verfiel sogleich in ein unzusammenhängendes und jämmerliches Flehen. »Haben Sie das Zeug? Haben Sie das Zeug mitgebracht? Ach, um Himmelswillen, geben Sie mir den Stoff! Ist es da? Haben Sie es?« An diesem Punkt japste sie und schnappte nach Luft, sich dabei die Finger auf den Leib pressend. Dann begann sie von neuem: »Geben Sie mir das Zeug, Schwester, geben Sie es mir, schnell! Wenn ich es nicht augenblicklich haben kann, werde ich Die da Oben verfluchen. Oh, das Zeug, das Zeug! Ich brauch nur das Zeug!«

Mat Dekker bemerkte ein schläfriges Zwitschern von oberhalb der Regenrinne draußen am Fenster. »Spatzen«, sagte er sich, »aber zu früh zum Brüten... ein bißchen zu früh; aber sie müssen schon daran denken... sie müssen sich schon paaren.« Die Öllampe stank furchtbar, und vom Bett der gepeinigten Frau strömte ein süßsaurer und überaus ekelerregender Geruch herüber, der Mat Dekker schaudern ließ, als er so stumm und hilflos dastand. Es war, als ob irgendein unbeschreibliches Schmerzwe-sen jenseits und hinter dem Wohnzimmer sich in der Dunkelheit krümmte und dieser abscheuliche Geruch von der Substanz dieser Wesenheit herkam und nicht von menschlichem Fleisch und Blut.

Schwester Robinson ging zum Bett. »Legen Sie sich hin, Mrs. Pethcrton. Es ist besser für Sie, wenn Sie liegen. So! Lassen Sie mich die Kissen aufschütteln.« Die Frau öffnete ihren Mund und zog die Lippen nach innen. Sie wirkte wie ein verzweifeltes Tier, das blindwütig nach der ganzen Welt schnappen wollte. Aber sie ließ sich in ihrem geschwächten Zustand von den starken Händen der Schwester flach auf das Kissen legen.

Dann ging Mat Dekker ans Bett, faltete seine großen Knöchel und beugte den grauen Kopf, um zu beten: »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, oh, Herr, verleihe dieser Frau, Deiner armen, schwer geprüften Dienerin, Kraft, die schweren Leiden zu ertragen, die Du in Deiner Weisheit und Güte...« Er kam nicht weiter, denn die Frau, die kurzzeitig die Augen geschlossen hatte, öffnete sie wieder, und ein Blick erneuter Pein, verbunden mit einem wilden Haß auf den Pfarrer, zeigte sich auf ihrem Gesicht. Das war beileibe nicht alles. Unfähig, auf andere Weise ihre abgrundtiefe Verachtung auszudrücken, machte sie Anstalten, auf den würdigen Mann zu spucken. Der kümmerliche Faden ihres ausgespienen Speichels troff aber nur an den Falten ihres eigenen Kinns herab. Aber Dekker erkannte ihre Absicht, und ihm wurde ganz kalt ums Herz.    - (cowp)

Kranke Bett

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