euscher
Joseph
Rosa sdilüpfte zur Tür herein und weckte ihn mit ihrem teuren Geruch usw.
Anselm wollte lieber nicht. Er dachte auch an die arme Sonja oder Irene, die
dann wieder zu büßen haben würde für Rosas durchdringendes JA-JA-Oratorium.
Aber er sagte zu ihr mit allen Anzeichen einer großen Anstrengung: Es geht nicht,
weil er Herrn Blomich zu sehr schätzt inzwischen und behandelt wird von Herrn
Blomich wie ein Freund, also wirklich, es käme ihm schäbig vor, inzwischen.
Bitte, Rosa ist jung, da denkt man anders, er aber, Herrn Blomich im Alter näher
als ihr, müsse sich, so schwer es seinem minderen Teil falle, auf Herrn Blomichs
Seite schlagen. Sie versuchte kindlich und trotzig den Tribut zu erzwingen und
als ihr das nicht gelang, schluchzte sie an-fallshaft und gackste: Ich weiß
schon, ich werde alt, ich bin Dir zu alt, ich weiß, daß ich Dir zu alt bin.
Das hörte er, schon Blomichs wegen, gern von der Dreiund-zwanzigjährigen. Sie
aber machte aus der frühen Morgenstunde offenbar eine Art Reifeprüfung für sich.
Aber so alt, ruft sie, ist sie doch noch nicht, daß sie zu alt wäre für ihn.
Und gleich zählt sie alle auf, die in den letzten zwei Jahren dankbar waren
für jeden Fetzen ihrer Haut. Das war eine erlauchte Rang- und Namenliste von
Lugano bis Hamburg. Anselm erkannte, ihm wurde die Aufnahme in einen Orden angeboten.
Diesem Orden vom Wohlschmeckenden Fleische Rosas gehörte er noch nicht an. Jenen
ersten Morgenkontakt ließ sie nicht gelten. letzt würde sie ihn in aller Form
aufnehmen, wenn. Anselm schlug ohne Nachdenken ab. Er tat, als bedaure er ungemein.
Und er bedauerte auch, ein wenig. Nein, fast gar nicht. Nein, überhaupt nicht.
Jetzt war er der keusche Joseph. Dachte an Thunau. Rosa knirschte. Sie war es
einfach nicht gewöhnt. Fühlte sich jetzt auch gar nicht mehr alt. Sprang auf.
Schlüpfte in ihre Wäsche und sagte wild, geradezu beschwörend sagte sie auf
ihn hinab: Gib zu, Du bist impotent. In ihrem Kindermund wirkte dieses Fremdwort
schön exotisch. Anselm sagte: Ja, das auch. Da streichelte sie ihn, küßte ihn
auf die Schläfe, als wäre er ihr fieberndes Kind. Wenn Du wieder kannst, flüsterte
sie ihm ins Ohr, sag es mir. Er nickte und drehte sich, als ertrüge er vor Beschämtheit
ihren Blick nicht mehr, ins Kissen hinein. Sie entfernte sich so leise als möglich
aus dem Krankenzimmer. Anselm schlummerte rein im Morgenlicht.
- Martin Walser, Das Einhorn. Frankfurt am Main
1966
|
||
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
![]() |
||
|
|
|
![]() ![]() |
![]() ![]() |