aunenschnitt
Ein Massenaussterben (englisch Mass Extinction), auch Faunenschnitt
oder Faunenwechsel genannt, ist ein in geologisch kurzen Zeitabschnitten von
einigen zehntausend bis mehreren hunderttausend Jahren stattfindendes großes
Artensterben, das sich vom sogenannten „normalen“ Hintergrundaussterben signifikant
ebenso abhebt wie von Massensterben: außergewöhnlichen, drastischen Verlusten
von Individuen einer oder vieler Populationen einer Art innerhalb kurzer Zeit.
Im Verlauf der Erdgeschichte fand an den einzelnen Epochenübergängen immer
ein mehr oder weniger stark ausgeprägter Faunenwechsel statt. Für die letzten
2,4 Milliarden Jahre wurde anhand geologischer, paläontologischer und paläoklimatologischer
Befunde eine Reihe von größeren und kleineren Massenaussterben nachgewiesen.
Im Verlauf der Erdgeschichte kam es zu mehreren großen Massenaussterbeereignissen:
- Vor ca. 2,4 Milliarden Jahren fand mit der von Cyanobakterien ausgelösten Großen Sauerstoffkatastrophe das wahrscheinlich gravierendste Massenaussterbeereignis des gesamten Präkambriums statt, bei dem die meisten anaeroben Lebewesen ausgelöscht wurden.
- Vor ca. 485 Millionen Jahren am Ende des Kambriums:
Rund 80 % aller Tier- und Pflanzenarten starben aus. Auslöser waren
vermutlich ein Klimawandel oder Meeresspiegelschwankungen. Viele Trilobiten (Dreilappkrebse), aber auch Conodonten oder Brachiopoden (Armfüßer) verschwanden.
- Vor ca. 444 Millionen Jahren im oberen Ordovizium: Im ordovizischen Massenaussterben
starben 50 % aller Arten aus, u. a. viele Brachiopoden. Die Trilobiten
überlebten, doch ihre immense Vielfalt verringerte sich erheblich.
Möglicherweise war das in dieser Zeit stattfindende Erscheinen von
Landpflanzen dafür verantwortlich. Diese entzogen dem Boden Calcium, Magnesium, Phosphor und Eisen und ermöglichten damit eine chemische Verwitterung des Bodens, wodurch der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen wurde. Dies wiederum kühlte das globale Klima um ca. 5 Grad ab. Anderen Autoren zufolge wird dieses Aussterbeereignis mit einer erdnahen Supernova in Verbindung gebracht. Einige Forscher vermuten, dass Spuren einer vergangenen erdnahen Supernova noch durch Spuren bestimmter Metall-Isotope in Gesteinslagen nachweisbar sind. Anreicherungen des Isotops 60Fe wurden beispielsweise in Tiefseesedimenten des Pazifischen Ozeans festgestellt.
- Vor ca. 360 Millionen Jahren im oberen Devon (Kellwasser-Ereignis): Erneut starben 50 % aller Arten aus, darunter einige Fische, Korallen und Trilobiten. Es starben auch etliche „Riffbauer“
unter den Korallen. Das hatte zur Folge, dass die Zahl der
Korallenriffe abnahm. Einige Wissenschaftler sind der Meinung, dass
dadurch der Sauerstoffgehalt im Wasser sank (sog. „ozeanisches anoxisches Ereignis“). Demnach überlebten nur Tiere, die sich anpassen oder auch Sauerstoff außerhalb des Wassers aufnehmen konnten. Die Zeit der Amphibien war gekommen.
- Vor ca. 252 Millionen Jahren, innerhalb einer Zeitspanne von 200.000 Jahren[ an der Perm-Trias-Grenze: 95 % aller meeresbewohnenden Arten sowie ca. 66 % aller landbewohnenden Arten (Reptilien-
und Amphibienarten) starben aus; die genaue Ursache ist bis heute
unbekannt. Die meisten Wissenschaftler machen heute jedoch den sibirischen Trapp verantwortlich. Dabei handelt es sich um eine aus Flutbasalten entstandene Großmagmatische Provinz, bei deren Entstehung große Mengen CO2 freigesetzt wurden, was das Klima veränderte.
Auch ein Drittel aller Insektenarten starb aus, das einzige bekannte
Massenaussterben von Insekten in der Erdgeschichte. Von allen
Massenaussterben des Phanerozoikums war das im Perm das größte.
- Vor ca. 200 Millionen Jahren am Ende der Trias: 50 bis 80 % aller Arten, unter anderen fast alle Landwirbeltiere, starben aus. Hier wird ein Zusammenhang mit gewaltigen Magmafreisetzungen vor dem Auseinanderbrechen von Pangaea vermutet (central atlantic eruption) bzw. die Vergiftung der flachen, warmen Randmeere durch große Mengen von Schwefelwasserstoff, nachdem gewaltige Vulkanausbrüche große Mengen an Kohlendioxid und Schwefeldioxid freigesetzt haben.
- Vor ca. 66 Millionen Jahren an der Kreide-Paläogen-Grenze (früher Kreide-Tertiär-Grenze genannt), gleichzeitig Übergang vom Erdmittelalter zur Erdneuzeit: Wieder starben rund 50 % aller Tierarten aus, darunter mit Ausnahme der Vögel auch die Dinosaurier. Als Ursache werden zwei Ereignisse erörtert: Der Einschlag eines Meteoriten (KT-Impakt; übersetzt etwa Kreide-Tertiär-Einschlag) nahe der Halbinsel Yucatán und der kontinentale Ausbruch eines Plume in der Dekkan-Trapp in Vorderindien.
- Vor 33,9 Millionen Jahren fand im Rahmen der Grande Coupure eine Abkühlung des globalen Klimas mit damit verbundenem Artensterben und Faunentausch statt.
- Vor ca. 50.000-12.000 Jahren: Seit dem Ende des oberen Pleistozän, teilweise auch noch im Holozän, starb im Verlauf einer Quartären Aussterbewelle der Großteil der Megafauna
Amerikas, Eurasiens und Australiens aus. Obwohl dieses Massenaussterben
verhältnismäßig wenige Tierarten betraf, beschäftigt es die Menschen
bis heute, da sehr viele sehr große, außergewöhnliche und bekannte
Tierarten dabei waren, etwa das Mammut, das Wollnashorn und die Säbelzahnkatze.
Die Gründe für diese auf den einzelnen Kontinenten zu unterschiedlichen
Zeiten auftretende Aussterbewelle sind umstritten. Einige Forscher
nehmen an, dass der Mensch diese Großsäuger durch übermäßige Bejagung (Overkill-Hypothese) ausgerottet hat. Diese Theorie wurde in der Öffentlichkeit auch durch bekannte Dokumentationen (Menschen gegen Monster bzw. Monsters we met, Großbritannien 2004; oder Wild New World,
Großbritannien 2002) bekräftigt und ist besonders in den
englischsprachigen Ländern weit verbreitet. In Fachkreisen ist diese
Theorie jedoch umstritten; Klimaveränderungen am Ende der Eiszeit gelten
ebenfalls als wahrscheinliche Ursache.
- Heute: Die gegenwärtige Aussterbewelle wird durch den Menschen verursacht und begann vor ca. 8.000 Jahren im Holozän. Sie hält bis zum heutigen Tag an und beschleunigt sich dabei; die Weltnaturschutzunion
(IUCN) geht dabei davon aus, dass die gegenwärtige Aussterberate 1.000-
bis 10.000-fach über der so genannten normalen Hintergrundaussterberate
liegt.
Allerdings sind die Übergänge zu der Aussterbewelle des Pleistozäns
fließend, weshalb von einer „Quartären Aussterbewelle“ gesprochen werden
muss. Beispielsweise verschwand das Wollhaarmammut erst im Holozän aus Sibirien. Auf der Wrangel-Insel
überlebte es gar bis in die Zeit der ägyptischen Pharaonen. Seit der
Sesshaftwerdung des Menschen in der Jungsteinzeit wurde die Tierwelt,
insbesondere die Megafauna, stark zurückgedrängt, allerdings
verschwanden damals deutlich weniger Arten als am Ende des Pleistozäns.
Als Menschen ab ca. 800 n. Chr. weitere Inseln besiedelten, rotteten sie
die dortige Megafauna, die eine niedrige Reproduktionsrate und keine
Fluchtreflexe hatte, durch übermäßige Jagd aus (etwa Neuseeland oder
Madagaskar) oder brachten die ansässige Vogelwelt zum Verschwinden
(Hawaii, Polynesien). Eine richtige Aussterbeflut brachte jedoch das
Zeitalter der Entdeckungen ab ca. 1500, als Europäer andere Kontinente
besiedelten, vermeintliche Schädlinge ausrotteten und Neozoen einschleppten (Ratten, Füchse, Schweine), denen die einheimische Fauna nur schwer gewachsen war.
Der Vergleich des aktuellen Massenaussterbens mit den oben genannten
Ereignissen der Erdgeschichte ist dabei schwierig, weil heute
überwiegend deutlich andere Ursachen für den Rückgang der Artenvielfalt verantwortlich sind als in der geologischen Vergangenheit.
Bei den Primaten finden sich inzwischen 94 Prozent auf der Roten Liste
in einer der drei höchsten Gefährdungskategorien (Stand 2014). Laut WWF
hat die Artenvielfalt seit den 1970er-Jahren stark gelitten; die Zahl
der Säugetiere, Vögel, Reptilien und Fische habe sich seither im Schnitt
halbiert, die Welt verliere täglich 380 Tier- und Pflanzenarten.
„Der Mensch verursacht gerade das größte globale Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier.“
– Eberhard Brandes, WWF Deutschland
Im Gegensatz zu früheren Faunenwechseln besteht aktuell für große Arten ein größeres Aussterberisiko.
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Wikipedia