GAUDÍ Auch Agonien, aber nicht nur, doch es ist wahr; und sie sind müde und verbraucht, denn der Tod oder die Entsteinung, wie
ich es nenne, ist eine jahrhundertelange Qual. Sehen Sie, es gibt mönchische
Steine von rauhem, störrischem Gehabe, denen man gestattet, in Flechten, im
Moos, in Eichen oder was weiß ich heranzuwachsen. Andere - denn ihnen wohnt
eine Art verborgenen Willens inne - ziehen es vor, Algen zu sein, denn der Übergang
von der Alge zum Fisch ist - wenngleich sehr lang - relativ schmerzlos, da zahlreiche,
zu Pilzen gewordene Steine lange Zeit in diesem Zustand verharren und sich gleichsam
als Geburtshelfer oder Klageweib betätigen, was in dieser Meereswelt keinen
Unterschied macht. Sehen Sie, mit List und Tücke suchte ich immer jene Steine
aus, die Algen zu sein begehrten, und solche, die Algenspuren und zugleich die
Vorahnung des Fischseins in sich trugen: selbige Steine nun produzierten auf
völlig natürliche Weise um sich herum einen submarinen Traum und nach und nach
ein Delirium, und ich in meiner Niedertracht, wie weidete ich mich an ihrer
Krankheit, an ihrer kaum bewußten Verzweiflung, nicht mehr in ihrer Welt der
Tiefe, im Meer zu sein, sondern anderswo, in einer Straße... Jetzt wissen Sie,
daß ich ein Fischer von Steinen war, welche ich, ein Sadist, im Zustand des
unvollendeten Todes zu halten liebte - ein Todeskampf
ohne Rast und Ruhe. - Giorgio Manganelli, Von der Unzucht
mit Steinen. Antoni Gaudí y Cornet. In: Unmögliche Interviews. Berlin 1996
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