Bühnentod

 

- Walter Schnackenberg

Bühnentod (2)  «Lucky in love, lucky in love,
what eise matters if you're lucky in love?»

Der Schauspieler hörte auf. Gleichzeitig ertönte ein dumpfer Knall aus dem hinteren Teil des Theaters. Ich erkannte das Geräusch. Das Orchester fuhr mit der musikalischen Begleitung fort. Der Schauspieler machte einen stummen Schritt zurück, und ein roter Fleck breitete sich langsam auf dem Kostüm aus. Ich stand auf und setzte mich Richtung Bühne in Bewegung, während der Schauspieler auf die Knie sank und dann rückwärts auf den Boden fiel, wohei die Unterschenkel nach hinten abgewinkelt blieben. Das Publikum kapierte immer noch nicht. Die übrigen Schauspieler blieben einen Augenblick bewegungslos, und dann sprang einer von ihnen, eine große Schauspielerin mit schwarz geschminktem Gesicht, vor und hockte sich neben den Schauspieler, gerade als ich sie erreichte. Leute standen in den Kulissen. Einem von denen brüllte ich zu. «Rufen Sie 911 an», schrie ich. «Sagen Sie, er ist erschossen worden.»

Ich tastete nach dem Puls des Schauspielers. Nichts. Ich neigte seinen Kopf, versuchte es zweimal mit Mund-zu-Mund-Beatmung. «Verstehen Sie was von Wiederbelebung?» fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf. Ich schob sie mit einem Arm behutsam aus dem Weg und begann mit der Herzmassage. Die Vorderseite seines Hemdes war glitschig vor Blut. Während ich rhythmisch seinen Brustkorb bearbeitete, tauchten neben mir braune Hosenbeine auf. Haibschuhe von Allan Edmonds. Keine Socken.

Eine Stimme: «Ich bin Arzt.»

«Gut», sagte ich. «Übernehmen Sie.»

Zu irgendwem sagte er: «Holen Sie mir Handtücher, irgendwas.»

Und zu mir: «Puls?»

«Nein», sagte ich.

Ich sah seine Hand auftauchen und den Arm des Schauspielers nehmen und auf seinem Handgelenk nach dem Puls tasten. Er hielt es fest, suchte. Dann kamen einige Handtücher in mein Blickfeld, und er sagte: «Hören Sie einen Moment auf.»

Was ich tat. Er riß das Hemd des Schauspielers herunter und wischte den Brustkorb mit einem gefalteten Handtuch ab. Direkt über dem Herzen befand sich eine kleine Eintrittswunde. Das Fleisch um das Loch war leicht angeschwollen, aus dem das Blut so schnell hervorschoß, wie er es wegwischen konnte.

«Scheiße», fluchte der Arzt, faltete das Handtuch noch einmal und drückte es auf die Wunde. «Blöde Sache», murmelte er. Er schien mehr mit sich als zu uns zu reden. «Der Druck auf den Brustkorb verstärkt die Blutung, aber wenn sein Herz nicht wieder zu schlagen anfängt, stirbt er sowieso.»

«Die Kugel dürfte genau ins Herz gegangen sein», sagte ich zwischen zwei Atemzügen. «In Anbetracht der Eintrittswunde.»

«Wahrscheinlich», sagte der Arzt. «Wodurch die Sache ziemlich akademisch wird.»  - Robert B. Parker, Die unsichtbaren Killer. Reinbek bei Hamburg (ca. 1990)

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Tod Bühne

 

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