bbeizung
Genauso wie die Luftschicht, die uns umgibt, die Erdbewohner
vor der ständigen kosmischen Aggression beschützt, genauso gab es lange Zeit
um sie eine Schicht des Nicht-Wissens, des Nicht-Kümmerns, des Nicht-Lesens,
des Nicht-Reisens, die ihre Geistesruhe vor der ständigen tellurischen Bombardierung
mit Neuigkeiten schützte und sie noch länger vor der noch zersetzenderen Bombardierung
mit Bildern geschützt hat. Nun, da unsere Zivilisation diese Isolierschicht
auflöst, beginnt man zu merken, daß sie lebensnotwendig war. Physisch lebt der
Mensch nicht nackt, geistig ist er ebenfalls ein Schalentier. Und die Effekte
dieser tödlichen Abbeizung liegen vor uns: eine fortwährende und intensive Erosion
aller scharfen Kanten, aller Originalität - ein zunehmendes Schrumpfen der zentralen
Zuflucht, des tiefsten Inneren - ein fröstelndes Zusammenziehen des Geistes,
der, einem fragilen Film gleich, auf seiner ganzen Oberfläche den scharfen Böen
ausgesetzt ist, die von überall auf ihn einwehen, Überempfindlichkeit, Juckreiz
und Hautrisse. Man fühlt sich »nicht wohl in seiner Haut«. Eine treffende Formulierung,
vorausgesetzt, man ist bereit sie zu vernehmen. Lange Zeit hatte der Geist eine,
und zwar eine dicke mit einer gesunden Hornhaut: er hat nur mehr eine Schleimhaut.
- (
grac2
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