urück Sie drängte sanft, beinahe hypnotisch: »Leg dich doch ein bißchen hin, jetzt gleich, für ein Stündchen, mach ein Schläfchen . . .«
Sie hatte recht. Jetzt wollte er schlafen, schlummern, in der Daunenwärme
wie in leichtem Fieber, schnullen, sich dickflüssig wälzen, Quetschfalten in
die Haut tief eingebrotet - die Haut, die dem Schlaf selbst ähnlich wird, so
weich und aufblasbar, Schlafbacken, Schlaflocken, Schlaf im eigelben Flaum von
Wulle Wulle. Zurück zum Anfang, zum ganz Kleinen, wo man schon früh anfängt,
einander zu piesacken und zu quälen, sich in den Kellern zu verknäueln, in Hinterhöfen,
einander unaussprechliche Schimpfworte nachzurufen, wo man immer laufen mußte,
keuchende Flucht, dabei schon schmerzhafte Treffer am Hals und im Rücken. Kaum
entkommen, noch weiter zurück auf dem Land, wird man schon zum Zeugen gemacht
zwischen Misthaufen und Freiabort beim lustigen Schlachtfest. Heißa, wie spritzen
die Schweine ihr Blut in die karmesinrote Gegend. Da vergnügt sich einer, einer
von den Viechsgesellen, fährt, fest an den Ringelschwanz geklammert, auf dem
Hintern durch den Matsch, die anderen stehen und grölen. Der Qualmkessel, der
Futterkocher wartet schon unterm Birnbaum und die Greisin RührtinderSchüssel,
noch leer, weil das Ende des Schweines sich verzögert. Die Greisin murmelt im
Tumult, brabbelt, früher war es besser, früher ging es schneller, das waren
noch Männer, früher, die mit einem Schlag übern Schädel kracht die Sau zusammen
und wälzt sich und strampelt am Flaschenzug und pumpt das Blut und die Greisin
Rührtinderschüssel. Und so weiter von da aus, rückwärts, vorwärts tapfere Landsknecht,
die Saufeder im Gedärm, Bihänder schwingend Köpfe mähend, Frauen unter großen
Gewölben bringen Salamander zur Welt, Feuerzeichen am Himmel, blutige Sterne,
neue Zukunft und neue Martern, ständig verbesserte Foltern, Verstümmelungen,
Giftschwaden, Ängste, die aufgehetzten Massenheere, die große Rundreise des
Verderbens, die riesigen Kriegskometen, Bomben- und Aschenregen, hoch oben Katatone,
blicklos, die jedes Leben, am Ende auch das eigene, am Ende nur noch bewußtlos
mechanisch an Hebeln ziehend mechanisch niedermachen niederwalzen und ins Nichts
auflösen. -
W. E. Richartz, Wollny's Mutter. Aus: Das Tintenfaß. 10. Jahrg.,
24. Folge. Zürich 1974 (Diogenes)
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