ährungsreformessen
Es ist natürlich verrückt und typisch Mutti, aber sie geht nach der Auszahlung
in das Siemersplatzrestaurant und spendiert ein Währungsreformessen.
Der Kellner ist selbst ganz erstaunt, aber er darf die Gerichte ohne Lebensmittelkarten abgeben. Er hat noch die Schere an der Schürze baumeln und klappert schon damit, um Fleischmarken und Nährmittelmark'en von der Karte abzuschneiden. Er läßt sie erstaunt wieder fallen und auch Mutti - obwohl sie weiß, daß heute alle gleich sind im deutschen Volk und das Geld hat mit einmal wieder Saft und Kraft - auch Mutti ist erstaunt.
Die Mutter und Detlev bestellen Ragout, überbackene Nudeln, Backpflaumen.
Krosse, gebratene Nudeln. Das ist der Geschmack der neuen ZeitI Reichlich, sättigend, fett - Nudeln überbacken! Wer hätte das gedacht, daß es schon wieder eine neue Epoche gibt - mit reichlich Fett!
Dieser Genuß des Gebratenen und der süße Geschmack der in der Fleischsoße aufgequollenen Backpflaumen! Das Ende und der Hungertod rücken weiter ab vom Siemersplatz.
Vom Fett glatt rutscht es hinter Detlevs von den Hungerjahren und der Schulhaltung eingebeulten Brustkorb, häuft sich im Bauch auf, macht die Beine und die Arme straff, drängt das taumelige Gefühl aus dem Kopf.
Für einen Augenblick stößt Detlev noch einmal die Empfindung von Tannenbaum
und Krüppelbein auf, rosa Trümmermehl und rosa Ersatzmehl aus Hagebutten, der
Geruch nach den Leichen des Krüppelheims - schon gemildert vom Eierteig und
frischgeschmolzenem markenfreien Talg. - Hubert Fichte, Detlevs
Imitationen "Grünspan". Frankfurt am Main 2005 (zuerst 1973)
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