Türrahmen  Ich drehte den Knopf und öffnete die Tür. Mit vier gekrümmten Fingern aus weißem Wachs war er am Türrahmen festgeklammert. Er hatte tiefe Augen - millimetertief, blaß, graublau, weit offen. Sie blickten mich an, aber sie sahen mich nicht. Unsere Gesichter waren zentimeterdicht aneinander. Mitten in der Luft prallte unser Atem zusammen. Meiner war schnell und heftig, seiner war ein schwaches Säuseln, nicht ganz ein Röcheln. Blasiges Blut kam aus seinem Mund und rann zum Kinn. Irgendwas zog meinen Blick nach unten. Blut sickerte langsam im Innern seiner Hose, dann in den Schuh, und aus dem Schuh floß es gemächlich auf den Boden. Es gab schon eine kleine Pfütze.

 Ich konnte die Schußwunde nicht sehen. Seine Zähne klappten aufeinander, und ich glaubte, daß er reden würde oder versuchte zu reden. Aber das war das einzige Geräusch, das von ihm kam. Er hatte aufgehört zu atmen. Sein Unterkiefer sank herunter. Dann begann das Rasseln. Natürlich ist es kein Rasseln. Es ist überhaupt nicht wie ein Rasseln.

Gummisohlen quietschten auf dem Linoleum zwischen dem Läufer und der Türschwelle. Die weißen Finger glitten vom Türrahmen ab. Der Körper des Mannes fing an, sich auf seinen Beinen zu drehen. Die Beine wollten ihn nicht mehr tragen. Sie spreizten sich. Sein Oberkörper warf sich herum, wie ein Schwimmer vor einer Woge, und flog auf mich.

Im gleichen Augenblick erhob sich ein anderer Arm, den man bisher nicht sehen konnte, und fuhr wie elektrisiert herüber, mit einer Bewegung, die offenbar keine lebendige Ursache mehr hatte. Gerade als ich seinen Körper packte, schlug mir der Arm über die linke Schulter. Eine Biene stach mich zwischen die Schulterblätter.  - Raymond Chandler, Die kleine Schwester. Zürich 1975

 

Tür

 

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