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Karen sah sich an, wie er jetzt zu ihr kam, mit einer Art lässigem Schlendern,
die Baseballmütze umgekehrt und tief in die Stirn gezogen, zeigte ihr, daß er
cool war, daß er clever war, so, wie er sich bewegte.
Sie sah das Narbengewebe
über seinen Augen und sagte: »Sie sind Boxer?«
»Woher weißt du das?«
»Das
sehe ich.«
»War ich mal«, sagte Kenneth, bewegte seinen Kopf wie zu einer
Finte, »bis sich meine Netzhaut zweimal abgelöst hat.« Er stand jetzt vor ihr,
so nah, daß Karen zu ihm aufsehen mußte.
»Was haben Sie geboxt, Mittelgewicht?«
»Leicht
bis Super-Mittelgewicht, wie sich mein Körper entwickelt hat. Was bist du denn,
Bantam?«
»Fliegengewicht«, sagte Karen und sah ihn grinsen.
»Du kennst
dich aus. Magst du Kämpfe? Wenn es grob wird? Ja, möcht ich wetten. Willst du
ein bißchen auf dem Boden rumtoben? Wie Tuffy und ich, bevor sie überfahren
wurde, haben wir uns immer auf den Boden geworfen und getobt. Ich sag zu ihr:
›Guter Hund, Tuffy, hier hab ich was für dich.‹ Und ich geb Tuffy das, was alle
Hunde am liebsten mögen. Weißt du, was das ist? Ein Knochen. Ich kann dir auch
einen Knochen geben, Kleine. Willst du ihn sehen? Du bist nah genug dran, du
mußt nur die Hand ausstrecken, dann kannst du ihn anfassen.«
Karen schüttelte
den Kopf. »Sie sind nicht mein Typ.«
»Das macht doch nichts«, sagte Kenneth
und schob seine Hand übers Bein zum Reißverschluß. »Wenn ich das Monster rauslasse,
machst du, was es will.«
»Einen Moment mal«, sagte Karen. Ihre Hand ging
zur Tasche, die neben ihr auf dem Stuhl stand.
Kenneth sagte: »Hast du deine
eigenen Gummis mitgebracht?«
Ihre Hand kam aus der Tasche hervor und hielt
etwas, das wie der Griff eines Golfschlägers aussah, und Kenneth grinste sie
an.
»Was hast du sonst noch drin, chemische Keule? Eine Trillerpfeife, irgendwelche
Selbstverteidigungskacke? Willst du mir erzählen, du machst es nicht mit
jedem oder dir ist im Moment nicht danach?«
Karen kam von ihrem Stuhl hoch
und stand mit ihm Auge in Auge. Sie sagte: »Ich muß gehen, Kenneth«, und gab
ihm einen freundlichen Schubs mit dem schwarzen Plastikstock, der wie der Griff
von einem Golfschläger aussah. »Vielleicht sehen wir uns wieder, okay?« Sie
trat zur Seite und schob sich an ihm vorbei, wohlwissend, daß er versuchen würde,
sie daran zu hindern.
Und als er es tat und ihr linkes Handgelenk packte,
sagte er:»Erst toben wir.«
Karen wedelte kurz mit dem Stock, und vierzig Zentimeter verchromter Stahl
schossen aus dem Griff. Sie trat auf Armeslänge von ihm zurück und hieb ihm
den Stock an den Kopf, wobei sich Kenneth duckte, auswich, schrie »Verdammt!«,
dann ließ er sie los, und Karen hatte den Platz, den sie brauchte, zwei Schritte
von ihm entfernt, und als er sich auf sie stürzte, peitschte sie ihm den Knüppel
seitlich an den Kopf, und er heulte auf und blieb auf der Stelle stehen, preßte
sich eine Hand ans Ohr.
»Was ist bloß mit Ihnen los?«
Warf ihr einen finsteren
Blick zu, betrachtete seine Hand und preßte sie wieder ans Ohr, und Karen war
nicht sicher, ob er die Frage gestellt hatte, weil sie ihn geschlagen oder weil
sie ihm einen Korb gegeben hatte.»Sie wollten doch toben«, sagte Karen, »wir
haben getobt.« - Elmore Leonard, Zuckerschnute. München 1998
(zuerst 1996)
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