chniegelung
Degas, der zusehends einsamer und mürrischer wurde,
war endlich darauf verfallen, seine Abende, mit denen er immer weniger etwas
anzufangen wußte, während der schönen Jahreszeit auf den Verdecken von Tramways
oder Omnibussen zu verbringen. Er erklimmt also seinen hochgelegenen Sitz, fährt
bis zur Endstation und von diesem "Ziel" wiederum zurück an die seiner
Wohnung zunächst gelegene Haltestelle. Eines Tages schilderte er mir eine kleine
Szene, die er am Abend zuvor auf seinem Verdeck hatte beobachten können. Es
ist dies eine jener Beobachtungen, die vor allem für den Beobachter charakteristisch
sind. Ganz in seiner Nähe, erzählte er, hätte eine Frau Platz genommen; die
Sorgfalt, die sie darauf verwendet, gediegen und endgültig-wohlgeordnet dazusitzen,
erregt seine Aufmerksamkeit. Sie führt ihre Hände über ihr Kleid, streicht dessen
Falten glatt, rückt zurecht und sinkt in sich zusammen, wie um sich noch inniger
der Krümmung der Bank anzuschmiegen; dann macht sie sich an ihren enganliegenden
Handschuhen zu schaffen, versucht sie so glatt wie möglich den Händen anzuschließen,
knöpft sie sorgfältig zu, nun fährt sie mit der Zunge über die Lippen, an denen
sie fast unmerklich ein wenig nagt, regt sich in ihren Kleidern, um sich in
der weichen Wärme ihrer Wäsche völlig heimisch und frisch zu fühlen. Endlich,
nachdem sie sich leicht an der Nasenspitze gezupft, strafft sie ihr Schleierchen,
weist mit flinkem Finger eine Locke an ihren Platz und scheint, nicht ohne den
Inhalt ihres Täschchens noch rasch gemustert zu haben, diese Reihe von Verrichtungen
endgültig abschließen zu wollen, indem sie die Miene eines Menschen annimmt,
der seine Arbeit erledigt hat oder der, nachdem er alle menschenmöglichen Vorkehrungen
für sein Unternehmen getroffen, das Weitere beruhigt dem lieben Gott überläßt.
Schütternd setzt der Tramway seine Fahrt fort. Wohl fünfzig Sekunden lang
verharrt die endgültig geschniegelte Dame in dieser Vollendung ihres gesamten
Wesens. Aber nach Verlauf dieser Zeitspanne, die ihr wie eine Ewigkeit vorkommen
muß, bemerkt Degas (der geradezu wunderbar in Szene setzte, was ich hier
mit großer Mühe zu schildern versuche), wie es um ihre Zufriedenheit geschehen
ist: sie richtet .sich auf, läßt ihren Hals in ihrem Kragen spielen, rümpft
ein wenig die Nase, schneidet ein Mäulchen; dann beginnt sie von neuem an ihrer
Haltung und ihrem Äußern herumzubessern: das Kleid, die Handschuhe, die Nase,
das Schleierchen ... Ein ganzes, sehr persönliches Stück Arbeit, das abermals
eine scheinbar stabile Gleichgewichtslage herbeiführt, die aber nur einen Augenblick
andauert.
Degas, seinerseits, konnte nicht umhin, mir seine Pantomime ein zweites
Mal vorzuführen. Er war entzückt. Zu seiner Genugtuung gesellte sich ein Anflug
von Weiberhaß. - (
deg
)