aalschlacht
Im Teatro Argentino in der Via Argentina fand am 14. des Monats
ein tagelang zuvor mit riesigen Plakaten angekündigtes Monstre-Dada-Meeting
statt, das der bekannte Genfer Dadaistenführer SERNER
unter Assistenz zahlreicher italienischer und spanischer Dadaisten abhielt.
Der etwa tausend Personen fassende Saal war bis auf den letzten Platz von einer
durch die vorhergegangenen Zeitungsartikel feindselig gestimmten Menge besetzt.
Das Programm eröffnete Serner mit einer kurzen, aber wilden Ansprache, in der
er das Publikum aufforderte, die Säulen und Ornamente der öffentlichen Gebäude
farbig anzustreichen, in den Museen Bälle abzuhalten, die Bilder und Plastiken
als das Privateigentum der Gassenjungen zu betrachten, sämtliche Theatervorstellungen
und Musikdarbietungen durch Lärmen zu verhindern und die lebenden Künstler,
einschließlich die Futuristen, als gemeinschädliche Charlatans bei jeder irgendwie
passenden Gelegenheit zu verprügeln. Diese Rede, die nur ein kleiner Teil der
Anwesenden verstand, da sie französich gehalten wurde, wiederholten hierauf
der italienische Dadaist Luigi ROVERI und der Spanier Sula HERANEZ, abwechselnd
italienisch und spanisch sprechend. Die Folge war ein ungeheurer Tumult. Man
schrie, schwang Stöcke, warf allerhand Gegenstände auf die Dadaisten, und mehrere
anwesende Futuristen drohten ihrerseits mit
Prügel, wenn das Meeting weiterginge. »Holt sie Euch!« war die Antwort der Dadaisten,
die den Zorn des Publikums noch dadurch bis zur Wut steigerten, daß sie plötzlich
auf Kommando Revolver zogen und blinde Schüsse in die Luft abgaben. Im Nu war
das Podium nurmehr eine einzige sich hin-und herwälzende Masse raufender Menschen.
Die Saalpolizei war machtlos und verzichtete, nachdem der Sturm sich gelegt
hatte, auf Verhaftungen, da weder Verletzungen noch Sachbeschädigungen sich
ereignet hatten. N. - Berliner Börsen-Courier
vom 21.10.1920, nach: Walter Serner, Das Hirngeschwür. DADA. Gesammelte Werke II, Hg. Thomas
Milch. München 1988
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