rchideenblüte »Es zu gestehen, ich war nicht vorbereitet, Fanatiker an dieser Tafel zu finden«, sagte mit einem Lächeln, wie wenn er soeben eine fast lebende Auster geschlürft, du bist mein Leben Borg. Er sagte es mit weltmännischer Gewandtheit. Er vernichtete alle voraufgegangenen Eindrücke von sich.
Der Mund wurde eine Orchideenblüte in ihrer größten Entfaltung.
Eine fleischliche Pracht. Tiefe und doch schleimige Farben, die aus dem Körper
hervorgingen wie der nach außen gestülpte Magen eines Seesternes. Gewiß schon
hatte er Austern von den Schalen gekratzt, sie zu schlucken. Dieses Nichts an
Geschmack, mit wenigen Tropfen Zitronensaft, daß ein Gewürz würde an dem durchwässerten
Getier. Er war damit gemästet worden. Mit schwerem Hummerfleisch auch. Mit Hammeihoden,
gehackt, vermengt mit dem Gelb gekochter Hühnereier. Das erzählte dieser stumme
Mund. Daß grobes Blut wohl taugliche Säfte für die Muskeln liefere, die eine
Pflugschar in die fette Erde zwingen soll; daß edlere Arbeit aus dem Nährboden
blühe, den kaum erstorbene Kreatur mit jungem Verwesen bereitet. Noch mit fliehender
Seele behaftet, die ängstlich den Ort neuen Zeugens suchte, um nicht ganz verloren
zu gehen. Blut trinken, warm und schaumig - als wäre es Wein. Er vermochte es.
Keines Tieres Euter war ihm widerlich. Getrüffelte Niere. Frische Oliven, säuerlichfett.
Neues Leben zu wecken. Edelste Arbeit. Es war Überwindung dabei, Kirchhof und
Auferstehung der Delikatessen zu werden. Aus der Bereitschaft kam die Verwandlung,
daß es wie Gier nach Brot wurde. Kein anderes und kein schlechteres Gesetz in
ihm, dem Sitz des Lebens, als im Wagebalken, Hebel, der aus dem Schwanken einseitig
niederfährt zum Boden, wenn ein Gewicht an einem seiner Arme wirkt. - Hans Henny Jahnn, Perrudja. Frankfurt am Main
1966 (zuerst 1929)
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