Cattleya-Blüten ermöglichen Swann die erste Berührung der begehrten Odette:
Als das Gespann der Kutsche scheut, in der sie beide sitzen, gerät Odettes Blumenschmuck
durcheinander, und unter dem Vorwand, das Gesteck in ihrem Ausschnitt wieder
zurechtzurücken, liebkost Swann ihren Hals, ihre Schultern
und ihre Brüste. Für beide ist diese Form der indirekten
Annäherung etwas Besonderes: Für Swann, weil er auf diese Weise bis in die erotische
Berührung hinein die begehrte Frau als Kunstwerk empfinden kann, die prächtigen,
aber geruchlosen und künstlichen Blüten verleihen ihr den Charakter eines kostbaren
Blumenarrangements, und für Odette, weil sie es nicht gewohnt ist, daß Männer
viele Umstände machen. So bleibt die erste Berührung deswegen reizvoll, weil
sie den Umweg »durch die Blume« nimmt, noch keinen endgültigen Besitz bedeutet
- weil das Bild der Blume den individuellen Phantasien und Sehnsüchte der Liebenden
eine Projektionsfläche bietet. Als die Liebe zwischen Swann und Odette erkaltet
und Sex längst zur körperlichen Routine geworden ist, bewahren zwei Dinge die
Erinnerung an eine einzigartige Leidenschaft: Das kleine Thema Vinteuils und
der Ausdruck »Cattleya machen«, den Odette und Swann seit der ersten Berührung
für die körperliche Liebe verwenden. - Ulrike
Sprenger, Proust-ABC. Leipzig 1997
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