ärchensammler
Nach religiösen Anschauungen der Eingeborenen zu fragen, ist eine
heikle Sache, die meist auf beiden Seiten große Unbefriedigung hervorruft. Gelegentliche
Nebenfragen, neue Namen, weitere Erkundigungen führten jedoch weiter und bald
auf den Weg, den man mit den Eingeborenen wandern wollte. Der Anreiz und die
Lockung, welche in den vielen neuen, unbekannten und doch so begehrten Dingen
stekken, die der Weiße für den Eingeborenen mitbringt, kleine Geschenke an Geld,
Tabak, Pfeifen, Zündhölzer, Bonbons, Angelhaken, Messer u. a. öffnen ihnen den
Mund. Allerdings muß man im Beginn sicher damit rechnen, allerlei Lügen aufgetischt
zu bekommen. Durch Kontrollfragen und das Beobachten des Gebärden- und des Mienenspiels
des Erzählers kommt man aber bald dazu, dem wahren und echten Kern einer Erzählung
näherzurücken. Man unterbreche jedoch den Eingeborenen nicht, man lasse ihn
berichten, was er weiß. Fragen ermüden, langweilen ihn, wecken sein Mißtrauen;
am Schluß der Erzählung kann man meist die Lücken ergänzen oder bekommt die
Leute nachgewiesen, welche darüber nähere Auskunft und Ergänzungen erteilen
können. Die Pfeife des Erzählers muß dauernd in Brand gehalten werden, kleine
Erfrischungen, Bonbons u. a. helfen über unvermeidliche Pausen hinweg und lassen
für den Erzähler das Gefühl der Langeweile weniger aufkommen Aus sich selber
heraus ist kein Eingeborener mitteilungsfroh, alles muß sozusagen aus ihm herausgepumpt
werden. Nur selten begegnet man Leuten, die mit einem heiligen Interesse an
der Sache selbst, freiwillig ihr Wissen von sich geben. Weniger eine Hochschätzung
des Weißen, der sich mit einemmal dieser eigensten Dinge der Eingeborenen annimmt,
schließt ihm den Mund; vielmehr ist es eine abergläubische Furcht, durch die
Mitteilung einer Geschichte, welche nicht als Geheimnis angesehen und betrachtet
wird, den Zorn oder das Mißfallen der Geister und Dämonen auf sich herabzuladen,
so daß der Erzähler von Mißgeschick, Krankheit und Tod betroffen wird. Auf Ponape
stand mir so während der letzten Zeit meiner Anwesenheit der Tod eines meiner
Hauptgewährsleute, des Nanaua en Tolakap, bei der Märchensammlung sehr hinderlich
im Wege, denn die Eingeborenen schrieben ihn ohne weiteres seinen Mitteilungen
zu, die, durch meine Geschenke herausgefordert, von den Geistern
nicht gebilligt waren. - Paul Hambruch,
Nachwort zu: Südsee-Märchen. Hg.
Paul Hambruch. Köln Düsseldorf 1979 (Diederichs: Märchen der Weltliteratur)
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