uft, dünne   »Du brauchst die Luft«, sagte er zu seinem nächtlichen Feuer. Das Feuer war ein lebhafter Gesell, der einem heftig antwortete, der dicht neben einem ruhte, wenn man schlief, während seine rosafarbenen Augen in der kühlen Nacht warm leuchteten. »Wir alle brauchen die Luft. Die Luft ist dünn hier auf dem Mars. Man wird zu schnell müde. Es ist, als lebte man sehr hoch in den Anden Südamerikas. Man atmet ein und hat nichts in den Lungen, ganz unbefriedigend.«

Er betastete seinen Brustkasten, der in den letzten dreißig Tagen gewaltig gewachsen war. Um mehr Luft aufnehmen zu können, würden alle eine Lungenerweiterung hinnehmen müssen. Oder es mußten mehr Bäume gepflanzt werden.

»Und deshalb bin ich hier«, sagte er. Das Feuer prasselte. »In der Schule habe ich mal eine Geschichte über Johnny Apfelkern gehört, der durch Amerika marschierte und Apfelbäume pflanzte. Ich tue noch mehr. Ich pflanze Eichen, Ulmen und Ahornbäume, Bäume jeder Gattung, Espen und Zedern und Kastanien. Ich erzeuge nicht nur Früchte für den Magen, sondern auch Luft für die Lungen. Stell dir nur all die Luft vor, die diese Bäume machen, wenn sie erst mal groß sind!«

Er dachte an seine Ankunft auf dem Mars. Wie tausend andere hatte er in einen stillen Morgen hinausgestarrt und gedacht: Wie 'passe ich hierher? Was soll ich hier? Was mache ich? Gibt es Arbeit für mich?

Dann war er ohnmächtig geworden.

Jemand hatte ihm ein Ammoniakfläschen unter die Nase gehalten, und er war hustend wieder zu sich gekommen.

»Sie brauchen keine Befürchtungen zu haben«, sagte der Arzt.

»Was war los?«

»Die Luft ist hier ziemlich dünn. Einige vertragen das nicht. Ich glaube, Sie müssen wieder zurück zur Erde.«

»Nein!« Er setzte sich auf, und er spürte sofort, wie ihm beinahe wieder schwarz vor Augen wurde und der Mars sich zweimal unter ihm drehte. Seine Nüstern blähten sich, und er zwang seine Lungen, das Nichts zu schlürfen. »Ich schaffe es schon«, keuchte er. »Ich muß hierbleiben!«

Sie ließen ihn liegen, und er schnappte nach Luft wie ein Fisch, und er dachte: Luft, Luft, Luft. Sie schicken mich zurück wegen der Luft. Und er wandte den Kopf und betrachtete die marsianischen Felder und Hügel. Er kniff die Augen zusammen, und als das Bild scharf geworden war, bemerkte er sofort, daß es keine Bäume gab, überhaupt keine Bäume, nirgendwo, wohin man auch blickte. Das Land war sich selbst überlassen, eine Landschaft aus schwarzem Lehm, doch es wuchs nichts darauf, nicht einmal Gras.  - Ray Bradbury, Die Mars-Chroniken. München 1974 (Heyne 3410, zuerst 1950)

 

Luft

 

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