Kniegeburt  Ein Mann heiratete ein junges Mädchen. Die junge Frau wurde nicht schwanger. Die Frau wurde ganz alt. Der Mann schlief noch einmal bei ihr. Da wurde sie schwanger. Ihr Knie schwoll an. Das Knie schwoll mehr und mehr an. Der Mann sagte: »Bisher hat die Frau mir kein Kind gegeben. Gott Soko wolle mir helfen, wenn das Kind schlecht ist!«

Am anderen Tage schwoll das Knie der Frau noch mehr an. Der Vater nahm seine Hacke und ging auf die Farm. Die Frau nahm einen Topf und ging zum Fluß hinab. Sie schöpfte den Topf voll Wasser. Sie trug ihn heim. Sie wollte den Topf absetzen. Sie stützte ihn gegen das geschwollene Knie. Das Knie platzte auf. Aus der Öffnung kam ein ganz kleines Kind heraus. In der einen Hand hatte das Kind einen Bogen und Pfeil, in der andern ein Messer. Die Mutter erschrak. Das Kind sagte: »Weshalb erschrickst du? Dein Mann hat gesagt, daß Gott ihm helfen solle, wenn ich ein schlechtes Kind wäre. Ich bin aber kein schlechtes Kind.« Dann lief der kleine Junge mit seinen Waffen hinaus in die Farm, in der der Vater arbeitete.

Der kleine Junge war ganz klein. Er war noch kleiner als andere Kinder, die eben geboren sind. Er lief mit den Waffen durch die Farm. Der Vater sah ihn kommen. Der Vater erschrak. Der Vater wollte weglaufen. Der kleine Knabe rief: »Weshalb willst du weglaufen? Ich bin das Kind, das aus dem Knie deiner Frau geboren ist. Ich bin dein eigener Sohn. Mein Name ist Mama.« Der Vater hörte das. Der Vater blieb stehen. Mama kam heran. Mama sagte zu seinem Vater: »Gib mir eine Hacke. Ich will deine Arbeit verrichten.« Der Vater gab Mama eine Hacke. Mama griff zu. Er hatte sogleich die ganze Arbeit gemacht. Mama sagte: »Jetzt bin ich durstig. Gib mir eine Kalebasse.« Der Vater sagte: »Warte, kleiner Mama, ich werde dir sogleich Wasser bringen.« Mama sagte: »Gib mir nur die Kalebasse her. Es gehört sich nicht, daß der Vater für den Sohn solche Arbeit verrichtet!« Der Vater gab Mama die Kalebasse. Dann sagte er: »Es ist gut! Geh selbst zum Bach. Achte aber darauf, daß du auf dieser Seite des Baches schöpfst und nicht auf der anderen. Denn auf der anderen ist eine ganz böse Schlange.« Mama sagte: »Es ist gut!« Dann ging Mama mit der Kalebasse zum Bach hinab. Er ging erst auf diese Seite und schöpfte Wasser. Dann ging er auf die andere Seite, wo die böse Schlange war. Er griff die böse Schlange. Er knotete sie zu einer Topfunterlage zu sammen, legte sie auf den Kopf und hob die Kalebasse darauf. Mama kam zum Vater zurück. Er setzte die Kalebasse ab. Beide tranken. Mama sagte: »Ich bin hungrig. Nun muß ich essen. Wir wollen die Schlange rösten und verzehren.« Der Vater sagte: »Ich kann von der Schlange nicht essen, denn ich bin Mohammedaner.« Mama sagte: »Du mußt unbedingt von der Schlange essen, damit du noch lange lebst, wenn du auch alt bist.« Mama tötete die Schlange. Mama röstete die Schlange. Sie aßen beide von der Schlange. Der Vater wollte nicht von der Schlange essen. Mama zwang ihn, von der Schlange zu essen. Nachdem sie gegessen hatten, gingen Mama und sein Vater zusammen heim. Alle Leute des Ortes kamen zu Mamas Vater und wünschten ihm Glück zur Geburt eines Sohnes.  - Leo Frobenius, Schwarze Sonne Afrika. München 1996

 

Knie Geburt

 

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