inkerlitzchen  Berlin. 15. Februar 1926. Montag Abends aßen bei mir Albert Einstein mit Frau, die Roland de Margeries, die Gräfin Sierstorpff geb. Stumm, Theodor Wolffs, Helene und Jean Schlumberger (von der ›Nouvelle Revue Française‹). Nach Tisch Mme. Mayrisch und Tochter, Goertz, Guseck, Alfred.

Einstein majestätisch trotz seiner übergroßen Bescheidenheit und Schnürstiefeln zum Smoking. Er ist etwas fetter geworden, die Augen aber immer noch fast kindlich strahlend und schalkhaft.

Seine Frau erzählte mir, ihr Mann habe neulich nach vielen Mahnungen endlich die beiden goldenen Medaillen, die ihm von der englischen Royal Society und Royal Astronomical Society verliehen worden sind, im Amt abgeholt, und nachher hätte sie sich mit ihm in einem Kino getroffen. Als sie ihn fragte, wie die Medaillen aussähen, habe er geantwortet, er habe das Paket noch gar nicht geöffnet. Er hat kein Interesse für solche Kinkerlitzchen. Sie gab mir davon noch andre Beispiele. Als die amerikanische Barnard-Medaille, die nur alle vier Jahre an einen hervorragenden Naturforscher verliehen wird, in diesem Jahre Niels Bohr verliehen wurde, stand in den Zeitungen, das letzte Mal habe sie Albert Einstein bekommen. Einstein zeigte ihr eine Zeitung und fragte: Ist das denn wahr? Er hatte es vollkommen vergessen. Er ist nicht dazu zu bringen, den Pour le mérite umzuhängen. Bei einer der letzten Akademiesitzungen machte ihn Nernst darauf aufmerksam, daß er seinen Pour le mérite nicht umhabe, ›die Frau hat es wohl vergessen, ihn Ihnen umzuhängen; Toilettenfehler‹. Aber Einstein antwortete: »Nicht vergessen, nein, nicht vergessen. Ich habe ihn nicht anlegen wollen.«

Bei Tisch entspann sich ein Gespräch über den Sirius-Mond. Einstein erklärte die sensationelle Entdeckung seiner Schwere und ihrer Bedeutung für die Rotabweichung im Spektrum. Zu Hertz (der ein Neffe des großen Physikers ist) sagte er: »Ihr Onkel hat ein großes Buch geschrieben. Es war darin alles falsch; aber es war trotzdem ein großes Buch.«  - Harry Graf Kessler, Tagebücher 1918 bis 1937. Hg. Wolfgang Pfeiffer-Belli. Frankfurt am Main 1982 (it 659)
 

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