Die Katze ist tot Ich fand sie neben der Mülltonne steif nach einem beweglichen Leben. Seltsam, sie lag auf dem Bauch mit ausgestreckten Pfoten. In dieser Haltung hatte sie vor mir gelegen wenn ich ihr vorlesen mußte. Am liebsten hörte sie alte Reiseberichte. Die wahre Geschichte von Oblomows Weltumseglung zum Beispiel kannte sie auswendig. (Bekanntlich hatte dieser zaristische Beamte während der ganzen Fahrt das Schiff nicht einmal verlassen.) Das Fremde zog ihn nicht an, sagte ich ihr, wenn sie nachts das Haus noch verlassen wollte. Oft behandelte sie mich wie ein Kind. Aber wenn ich mich dann wie ein Kind benahm sträubte sich augenblicklich ihr Fell. Fehler, Nachlässigkeiten korrigierte sie höflich mit einem Zittern der Schnurrhaare. Jeder von uns führte ein Doppelleben, sie in der Nacht ich tagsüber, das wir streng voreinander verbargen. Kürzlich erst gab sie mir zu verstehen mich in ihr fellwarmes Leben einzuweihen als Belobigung für geduldiges Beobachten. Nun starb sie in der Haltung des Zuhörens. Und ich fühle mich als das Opfer. |
- Michael Krüger, nach
(arc)
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