eichte,
lüsterne
ALSO, HEILIGE THEODORA, es scheint, daß die Sünde wenn auch nicht der Hauptweg,
so doch einer der möglichen Wege zur Heiligkeit ist, was auch Jacopo da Voragine
bestätigt, wo er von deinem Ehebruch erzählt. Aber ich möchte dir sagen, daß
die Heiligkeit weit weg ist von meinen Wünschen, und daß ich mich damit begnüge,
mir einen zeitweiligen Platz in einer Ecke des Fegefeuers zu verdienen. Wie
du gewiß gesehen hast von dort oben im Himmel, habe ich eine Sünde begangen,
um mich von einer lang vergangenen Sünde zu befreien, die zu begehen ich nicht
den Mut hatte. Ich weiß seitje, daß die Frauen verrückt sind, aber ihre Tollheit
gefällt mir auch dann, wenn sie mich zwingt, splitternackt durch die Stadt zu
laufen. Seit dem Zusammensein mit dieser Närrin hege ich dir gegenüber nicht
mehr jenes leise Gefühl von Neid und fast Groll, das du bei unseren nächtlichen
Zusammenkünften sicher gespürt hast. Ich war neidisch auf die Sünde, die du
nachts mit deinem Liebhaber begangen hast, nicht auf deine Heiligkeit. Jetzt
verstehe ich, wie du den Schmeicheleien dieses Mannes erliegen konntest, der
dir ein Vergnügen versprochen hat, das neu und anders war als die müden Liebkosungen
deines Mannes. Mag sein, daß es der Teufel war, der beschlossen hat, deinen
Ehebruch zu bewirken, aber ich glaube, daß er sich nicht besonders anstrengen
mußte, dich zu überzeugen, und ich fühle mich dir jetzt näher, da auch ich die
hohe und seltsame Lust der Liebe erlebt habe. Ich habe dieser jungen Dirne gesagt,
daß mir gewesen ist, als führe ich in einer Kutsche und würde dann fliegen,
und da hat sie gelacht. Dann hat sie meine Kleider aus dem Fenster geworfen,
aber das macht nichts. Das einzige, was ich in diesem Augenblick bedauere, ist,
daß du nicht hier bei mir im Bett bist, nackt wie die verrückte Betschwester,
der ich in dem Gäßchen im Borgo begegnet bin.
Ich habe dir meine Geheimnisse anvertraut, aber jetzt muß ich mit jener unglücklichen
Situation fertigwerden, von der du weißt. Meine Gefühle sind erschöpft und meine
Gedanken laufen woanders hin. Leb wohl, Heilige Theodora, und mach, daß ich
träume, daß du in den Momenten des Unbehagens und der Einsamkeit hier bei mir
in meinem Bett bist. - Luigi Malerba, Die nackten Masken. Berlin 1995
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