Begegnung der 3. Art  

"With trembling pseudopods,
Rork Glanf tore away the Earth Girls space-suit"

- Will Elder 1957

Begegnung der 3. Art (2)

Begegnung der 3. Art (3)

- N. N.

Begegnung der 3. Art (4)  Sie standen an einem ausgetrockneten Steinbrunnen. In den Mauern klafften schwarze Höhlen. In einer war für einen Augenblick ein blasses, flaches Gesichtchen zu sehen. Als sie den Lichtkegel dorthin richteten, war die Öffnung leer. Sie gingen weiter. Daß sie von irgendwelchen Geschöpfen umgeben waren, war nun sicher. Es wurde unerträglich. Sie spürten sie von allen Seiten. Dem Doktor drängte sich sogar der Gedanke auf, daß selbst ein Angriff, ein Kampf in dieser Finsternis besser wäre als diese sinnlose Wanderung, die nirgends hinführte. Er blickte auf die Uhr. Schon fast eine halbe Stunde war vergangen, sie mußten gleich umkehren.

Der Chemiker, der ihm einige Schritte vorausging, hob die Taschenlampe. In einer Mauerbiegung klaffte ein Tor mit einem Spitzbogen darüber. Zu beiden Seiten der Schwelle standen zwei knollige Steinstümpfe. Als er an dem dunklen Eingang vorbeiging, richtete er die Taschenlampe darauf. Das Licht glitt über eine Reihe Wandnischen und fiel auf mehrere zusammengedrängte nackte Buckel, die kauernd erstarrt waren.

»Dort sind sie!« zischte er und wich instinktiv zurück. Der Doktor ging hinein. Der Chemiker leuchtete unterdessen. Die nackte Gruppe drängte sich wie versteinert an die Wand. Im ersten Augenblick glaubte er, daß sie nicht mehr lebten. Im Schein der Taschenlampe glänzten wässerige Tropfen auf ihren Rücken. Er stand eine Weile ratlos da.

»He!« sagte er leise, denn er spürte, daß in der ganzen Situation nicht eine Spur von Logik war. Draußen ertönte irgendwo in der Höhe ein durchdringendes, vibrierendes Pfeifen. Ein vielstimmiges Stöhnen stieg zum steinernen Gewölbe hinauf. Keiner der Kauernden rührte sich. Sie stöhnten nur mit kratzenden Stimmen. Dafür gab es jetzt Bewegung auf der Straße. Man hörte entferntes Stampfen, das in Galopp überging. Mehrere dunkle Gestalten huschten in mächtigen Sätzen vorüber, das Echo antwortete aus immer größerer Entfernung. Der Doktor schaute durch das Tor - nichts zu sehen. Seine Ratlosigkeit schlug in brennende Wut um. Er stand im Eingang und knipste die Taschenlampe aus, um besser zu hören. Aus der Dunkelheit erscholl nahendes Stampfen. »Sie kommen!«

Der Doktor fühlte, daß der Chemiker die Waffe hochriß. Er schlug von oben auf den Lauf und rückte ihn nach unten. »Nicht schießen!« schrie er. Die Straßenbiegung war plötzlich bevölkert. In den Lichtkegeln sahen sie Buckel auf und ab hüpfen, es wimmelte nur so davon. Sie hörten die großen weichen Körper zusammenprallen. Riesige, gleichsam geflügelte Schatten flogen im Hintergrund hin und her, zugleich hob ein Geschrei an, ein kratzendes Husten. Mehrere brüchige Stimmen begannen entsetzlich zu wimmern. Eine gewaltige Masse stürzte dem Chemiker vor die Füße und schlug ihm die Beine weg. Im Fallen sah er für den Bruchteil einer Sekunde ein Gesichtchen, das ihn mit weißen Augen anstarrte. Die Taschenlampe schlug auf die Steine, es wurde stockfinster. Der Chemiker suchte verzweifelt nach der Lampe und tastete wie ein Blinder das Pflaster ab.

»Doktor, Doktor!« schrie er. Seine Stimme ging in dem Durcheinander unter. Ringsum huschten Dutzende von Leibern vorüber. Die gewaltigen Rümpfe mit den kleinen Händchen stießen zusammen, schlugen aufeinander. Er bekam einen Metallzylinder zu fassen und richtete sich auf, da warf ihn ein mächtiger Schlag gegen die Wand. Von oben ertönte Pfeifen. Es schien von der Spitze der Mauer zu kommen. Alles erstarrte für einen Augenblick. Er spürte die Wärmewelle, die von den erhitzten Leibern ausging. Etwas stieß ihn an, er taumelte und schrie auf bei der ekelhaften glitschigen Berührung. Plötzlich war er ringsum von keuchenden Atemzügen umgeben.

Er schob den Kontakt an der Taschenlampe vor, sie flammte auf. Sekundenlang spannten sich vor ihm gewaltige bucklige Torsos in gewundener Linie. Von oben blinzelten ihn, so weit er sehen konnte, geblendete Augen an, die runzligen Köpfchen schwankten, dann stürzten die Nackten, von hinten gedrängt, auf ihn los. Er stieß einen Schrei aus. In dem wilden Durcheinander hörte er die eigene Stimme nicht mehr. Die Rippen wurden ihm gequetscht. Eingekeilt zwischen die feuchten, warmen Leiber, verlor er den Boden unter den Füßen. Er versuchte nicht einmal sich zu wehren, er spürte, daß er irgendwohin gestoßen, mitgeschleppt, gezogen wurde. Der scharfe Gestank würgte ihn. Krampfhaft hielt er die Taschenlampe umklammert, die gegen seine Brust gedrückt wurde. Sie erhellte einige der ihn umgebenden Gesichtchen. Sie starrten ihn verblüfft an und wichen zurück. Aber die Menge gab keinen Platz frei. Die Finsternis war erfüllt von dem Geheul heiserer Stimmen. Die kleinen Torsos, triefend von einer wässerigen Flüssigkeit, suchten Schutz in den Falten der Brustmuskeln. Plötzlich warf eine ungeheure Druckwelle die Gruppe, in der sich der Chemiker befand, zum Eingang hin. In dem Gedränge vermochte er noch durch das Dickicht der verschlungenen Hände und Rümpfe das aufblitzende Licht und das Gesicht des Doktors zu sehen, dessen im Schrei aufgerissenen Mund, dann war das Bild verschwunden. Er glaubte von dem penetranten Gestank zu ersticken. Die Taschenlampe hüpfte mit dem Glas unter seinem Kinn, riß Gesichtchen ohne Augen, ohne Nase, ohne Mund aus dem Dunkel, flache, greisenhafte, herabhängende Gesichtchen, und alle waren wie mit Wasser übergössen. Er spürte die Schläge, die ihm die Buckel versetzten. Einen Augenblick lang war etwas Luft um ihn, dann wurde er wieder gepreßt, mit dem Rücken gegen die Wand geworfen. Er stieß mit dem Nacken gegen eine kleine Säule, hielt sich an ihr fest, versuchte sich an sie zu drücken. Die neuen Wogen der Herandrängenden warfen ihn zurück. Er stemmte sich mit aller Kraft dagegen, kämpfte nur darum, stehenzubleiben. Wenn er hinfiel, bedeutete das den Tod. Er ertastete eine steinerne Stufe, nein, es war ein Stück Felsen. Er kletterte hinauf und hob die Taschenlampe über den Kopf.

Das Bild, das sich ihm bot, war erschreckend. Ein Meer von Köpfen wogte von einer Wand zur anderen. Die vor der Nische standen, starrten ihn mit aufgerissenen Augen an. Er sah ihre verzweifelten Bemühungen, sich krampfhaft, wie von einem Schauder erfaßt, von ihm zu entfernen. Aber als Teil der nackten Masse wurden sie in die Gasse gedrängt, und wer sich an den Rändern befand, wurde an die Mauern gequetscht. Gräßlicher Lärm erfüllte den Platz. Da erblickte er den Doktor wieder. Er hatte keine Taschenlampe und bewegte sich, vielmehr schwamm in der Menge, bald vorwärts, bald zur Seite, wie verloren zwischen den großen Rümpfen, die ihn überragten. Irgendwelche Fetzen flatterten in der Luft. Der Chemiker wehrte sich nun gegen die Herandrängenden mit dem Eiektrowerfer, den er am Kolben und am Magazin festhielt, so gut er konnte. Er spürte, wie ihm die Hände erlahmten. Die feuchten, schlüpfrigen Leiber stießen wie Sturmböcke gegen ihn vor, sprangen zurück, hetzten weiter. Die Menge lief allmählich auseinander, aber in der Dunkelheit strömten neue Scharen heran. Die Taschenlampe erlosch. Ein Hin und Her, ein Stammeln, ein Stöhnen inmitten undurchdringlicher Finsternis. Der Schweiß rann ihm in die Augen, er sog die Luft ein, die in den Lungen brannte, und war nahe daran, das Bewußtsein zu verlieren. Er sank auf die steinerne Stufe, lehnte sich mit dem Rücken gegen die kalten Felsen, rang nach Atem. Er konnte nun einzelnes Stampfen unterscheiden, lange, klatschende Sätze. Der lamentierende Chor entfernte sich.  - Stanislaw Lem, Eden. Roman einer außerirdischen Zivilisation. München 1974

Begegnung der 3. Art (5)

Der Taucher und die Meerjungfrau

- N. N. 


 

Begegnung

 

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