wergschule Gerade
mit dem Vater trat auch ein neuer Rektor an, Werner, aus dem Merseburgischen,
ein schöner Mann mit breiter Stirne und Nase, voll Feuer und Gefühl, mit einer
hinreißenden Naturberedsamkeit voll Fragen und Gleichnisse und Anreden wie Pater
Abraham; übrigens aber ohne alle Tiefe weder in Sprachen noch in andern Wissenschaften.
Indes half er der Armut auf dieser Kehrseite durch einen Kopf voll Freiheit-Rede
und Eifer ab; seine feurige Zunge war der Hebel der kindlichen Gemüter. Sein
Grundsatz war, aus der Grammatik die nur allernotwendigsten Sprachformen — worunter
er bloß die Deklinationen und Konjugationen verstand - lernen zu lassen und
dann ins Lesen eines Schriftstellers überzuspringen. Paul mußte sogleich den
Sprung hoch über Langens Colloquia hinweg in den Cornelius tun; und es ging.
Die Schulstube oder vielmehr die Schularche faßte Abc-Schützen, Buchstabierer,
Lateiner, große und kleine Mädchen - welche wie an einem Treppengerüste eines
Glashauses oder in einem alten römischen Theater, von Boden bis an die Wand
hinaufsaßen - und Rektor und Kantor samt allem dazugehörigen Schreien, Summen,
Lesen und Prügeln in sich.
Die Lateiner machten gleichsam eine Schule in der Schule. Bald darauf wurde
auch die griechische Grammatik mit dem Erlernen der Deklinationen und der nötigsten
Zeitwörter angefangen und ohne weiteren Aufenthalt bei der Grammatik sofort
ins Neue Testament zum Übersetzen übergesetzt. Werner, der oft im Feuer der
Rede sich selber so lobte, daß er über seine eigne Größe erstaunte, hielt auch
seine fehlerhafte Methode für eine originelle, ob sie gleich nur eine Basedowsche
war; aber Pauls fliegendes Fortschreiten wurde ihm ein neuer Beweis.
- Jean Paul, Selberlebensbeschreibung
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