uschauer In diesem Augenblick gewahrte ich, daß ich die ganze Zeit über auf einer hohen, sogar haushohen Leiter aus Holz gestanden war, und neben mir Hunderte von anderen Zuschauern, in ebensolcher Höhe, um über eine weiße Ringmauer hinweg einem Schauspiel zu folgen, das sich keiner von uns hätte träumen lassen. Doch ein kräftiger Wind griff uns von vorne an und hob uns mitsamt den Leitern von der Brüstung der Mauer, stellte uns frei und schwankend in die Luft und die Leitern drohten nach hinten zu kippen. Manche kletterten eilig mehrere Sprossen abwärts, um Balance zu gewinnen.

Der Wind aber, jene große Puste, die selbst die trägen Flüsse aus ihren Betten weht, verbog die Leitern wie Hochspringerstäbe und jene, die noch in den obersten Sprossen aushielten und mit allen Fasern weiterhin am Schauspiel hingen, mochten vielleicht hoffen, bei nachlassendem Wind vom Schwung des zurückschnellenden Holzes über die Mauer geworfen zu werden. Doch wir fielen alle mit dem Rücken auf den Boden. Einige blieben zerschmettert liegen, andere krochen gebrochen davon. Feldwege waren da und runde uralte Pforten aus groben Steinblöcken... Da ist immer ein Weg, staubig, und ein alter Ausgang ins Freie. - Botho Strauß, Paare, Passanten. München 1984 (dtv 10250, zuerst 1981)

Zuschauer (2)  Suspense ist das wirkungsvollste Mittel, die Aufmerksamkeit des Zuschauers wachzuhalten, egal, ob es ein Suspense ist, der sich aus der Situation ergibt, oder einer, bei dem der Zuschauer fragt: Und nun, was passiert jetzt?

Es gibt viele Mißverständnisse mit dem Wort Suspense. Sie haben in Interviews häufig darauf hingewiesen, daß man Suspense und Überraschung nicht miteinander verwechseln darf. Darauf werden wir noch zurückkommen. Viele Leute glauben aber auch, Suspense und Angst hingen miteinander zusammen.

Natürlich nicht. Kommen wir nochmal auf die Telefonistin in Easy Virtue zurück. Sie hört dem jungen Mann und der Frau zu, die wir überhaupt nicht zeigen und die übers Heiraten reden. Das Telefonfräulein war voll von Suspense, sie war damit aufgeladen: Wird die Frau am Ende der Leitung einwilligen in die Heirat mit dem Mann, der sie angerufen hat? Die Telefonistin war ganz erleichtert, als die Frau ja sagte. Ihr Suspense war damit beendet. Das ist ein Beispiel für Suspense, der nichts mit Angst zu tun hat.

Ja, aber die Telefonistin hat doch gefürchtet, die Frau könnte nein sagen. Allerdings kann man das eigentlich nicht Angst nennen. Ist Suspense die Dehnung einer Erwartung?

Bei der üblichen Form von Suspense ist es unerläßlich, daß das Publikum über die Einzelheiten, die eine Rolle spielen, vollständig informiert ist. Sonst gibt es keinen Suspense.

Das stimmt, aber kann nicht auch eine mysteriöse Gefahr ihn heraufbeschwören?

Für mich, das dürfen Sie nicht vergessen, ist Rätselhaftes selten Suspense. Zum Beispiel handelt es sich in einem Whodunit* nicht um Suspense, sondern um eine Art intellektuelles Rätsel. Das Whodunit erweckt Neugier, aber ohne jede Emotion. Emotionen aber sind notwendiger Bestandteil des Suspense. Im Fall der Telefonistin in Easy Virtue war die Emotion der Wunsch, daß der junge Mann von der Frau akzeptiert würde. In der klassischen Situation mit der Bombe, die zu einem bestimmten Zeitpunkt explodieren soll, da ist es die Furcht, die Angst um jemand, und die Angst hängt ab von der Intensität, mit der der Zuschauer sich mit der Person identifiziert, die in Gefahr ist. Ich könnte noch weitergehen und behaupten, daß es bei dieser altbekannten Bombensituation, die ich eben erwähnte, sogar Gangster oder eine Bande ganz übler Burschen sein können, die da um den Tisch versammelt sind.

Zum Beispiel die Bombe in der Aktentasche beim Attentat vom zwanzigsten Juli.

Ja, sogar in dem Fall glaube ich nicht, daß der Zuschauer sich sagt: Ah, sehr gut, gleich sind sie alle hin. Sondern vielmehr: Aufgepaßt, da ist eine Bombe! Was bedeutet das? Daß die Furcht vor der Bombe mächtiger ist als die Gefühle von Sympathie oder Antipathie den Personen gegenüber. Sie dürfen aber jetzt nicht glauben, daß das ausschließlich von der Bombe abhinge, weil die besonders furchterregend ist. Nehmen wir ein anderes Beispiel. Jemand dringt neugierig in ein fremdes Zimmer ein und durchsucht die Schubladen. Sie zeigen, wie der Bewohner des Zimmers die Treppe raufkommt. Dann gehen Sie wieder zurück zu dem, der in der Schublade herumsucht. Der Zuschauer möchte ihn warnen: Passen Sie auf, passen Sie auf, da kommt jemand die Treppe rauf! Also braucht der, der da herumsucht, gar nicht sympathisch zu sein, der Zuschauer ist trotzdem auf seiner Seite. Natürlich, wenn der, der da etwas sucht, sympathisch ist, wie zum Beispiel Grace Kelly in Rear Window, dann nimmt der Zuschauer doppelt Anteil.

Ja, das ist ein schlagendes Beispiel.

Bei der Premiere von Rear Window saß ich neben der Frau von Joseph Cotten, und in dem Moment, wenn Grace Kelly das Zimmer es Mörders durchsucht und der im Flur auftaucht, war sie so hingerissen, daß sie zu ihrem Mann sagte: »Nun tu doch was! Nun tu doch was!«

Könnten Sie den Unterschied präzisieren zwischen Suspense und Überraschung?

Der Unterschied zwischen Suspense und Überraschung ist sehr einfach, ich habe das oft erklärt. Dennoch werden diese Begriffe in vielen Filmen verwechselt. Wir reden miteinander, vielleicht ist eine Bombe unter dem Tisch, und wir haben eine ganz gewöhnliche Unterhaltung, nichts besonderes passiert, und plötzlich, bumm, eine Explosion. Das Publikum ist überrascht, aber die Szene davor war ganz gewöhnlich, ganz uninteressant. Schauen wir uns jetzt den Suspense an. Die Bombe ist unterm Tisch, und das Publikum weiß es. Nehmen wir an, weil es gesehen hat, wie der Anarchist sie da hingelegt hat. Das Publikum weiß, daß die Bombe um ein Uhr explodieren wird, und jetzt ist es 12 Uhr 55 — man sieht eine Uhr —. Dieselbe unverfängliche Unterhaltung wird plötzlich interessant, weil das Publikum an der Szene teilnimmt. Es möchte den Leuten auf der Leinwand zurufen: Reden Sie nicht über so banale Dinge, unter dem Tisch ist eine Bombe, und gleich wird sie explodieren! Im ersten Fall hat das Publikum fünfzehn Sekunden Überraschung beim Explodieren der Bombe. Im zweiten Fall bieten wir ihm fünf Minuten Suspense. Daraus folgt, daß das Publikum informiert werden muß, wann immer es möglich ist. Ausgenommen, wenn die Überraschung wirklich dazugehört, wenn das Unerwartete der Lösung das Salz der Anekdote ist.

*       Whodunit (»who done it« — Wer hat es getan?) wird ein Stück oder ein Film genannt, worin es um die bloße Aufklärung eines Verbrechens geht.

- Aus: Francois Truffaut, Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? München 1973 (zuerst 1966)

Zuschauer (3)

- Michael Sowa

Zuschauer (4)  Mit anderen Personen beobachtete er die Flucht eines älteren Mannes vor zwei Verkäufern in weißen Kutten. Abschaffel war dankbar, etwas Fremdes beobachten zu können. Er genierte sich nicht, stehenzubleiben und durch das Stehenbleiben zu einem bloß bornierten Zuschauer von anderen Menschen zu werden. Der alte Mann wurde nach kurzer Flucht von den beiden Verkäufern gestellt. Sie rissen an seinem Popelinemantel und hielten ihn an den Armen fest; der alte Mann wehrte sich, aber seine Lage war aussichtslos. Vermutlich hatte er etwas gestohlen. Die beiden Verkäufer redeten in schlechtem Deutsch auf den Mann ein, der aus Scham die Augen zusammenkniff. Die Verkäufer waren klein und dunkel, wahrscheinlich Ausländer. Der alte Mann wehrte sich immer noch, aber es war wie das Zucken eines Fischs, den man bereits in der Hand hält. Die beiden Verkäufer führten ihn ab in ein nahes Geschäft, und Abschaffel gehörte zu den Zuschauern, die sich draußen an der Schaufensterscheibe aufstellten und noch immer nicht von der Beobachtung des alten Mannes ablassen wollten. Im Geschäft wurde er von einem riesigen Deutschen empfangen, der ihn auf einen Stuhl drückte. Der Deutsche, vermutlich der Inhaber oder Geschäftsführer, ließ sich den Personalausweis geben und beauftragte einen der Ausländer, die Polizei zu holen. Die Scham des Mannes, in seinem Alter noch bei einem Diebstahl erwischt worden zu sein, vergrößerte sich noch durch das Lob, das der deutsche Geschäftsführer dem zurückgebliebenen Ausländer für seine Tüchtigkeit spendierte. Der alte Mann öffnete sein Gesicht nicht mehr. Er sah jetzt aus wie ein Indianer. Da erschien der zweite Ausländer mit einem Polizisten. Gemeinsam standen sie um ihn herum und verurteilten ihn. - (absch)

Zuschauer (5) Auf sein Geheiß erschienen zwei nackte, kupferbraune Männer, die an den Händen Stahlklauen trugen; und ohne Zaudern griffen sie einander an, suchten sich mit den schneidenden Waffen zu treffen, die ihre dunkle Haut mit langen Rissen überzogen, denen Blut entquoll.

Das ging lange so. Obschon die Körper nur mehr aus Wunden bestanden, beharkten die Kämpfer ihr Fleisch immer noch mit den scharfen Klingen. Dem einen klaffte die eine Backe; dem andern war das Ohr in drei Teile zerfetzt.

Und der Fürst schaute dem mit reißender, enthusiastischer Freude zu. Er bebte vor Begeisterung, grunzte vor Lust, wobei er, ohne sein Wissen, die Bewegungen der Männer mit Beinen und Armen nachahmte und unablässig schrie: »Schlag ihn, schlag ihn.«

Einer der beiden fiel bewußtlos zu Boden; er mußte vom Platz getragen werden, der rot von Blut war, und der Raja stieß vor Bedauern, vor Kummer, daß es schon zu Ende war, einen langen Seufzer aus. - (nov)

Zuschauer (6) Lichtenberg hat die Schachspieler in die Philosophie eingeführt. Aber auch ihn interessiert, wie so oft Wittgenstein, keiner der beiden Spieler, sondern der des Spieles unkundige Zuschauer. Lichtenberg vergleicht den Naturforscher und seine Hypothesen mit dem Beobachter eines Schachspiels, der sorgfältig alle Vorgänge auf dem Brett registriert, um auf die Regeln zu kommen, nach denen sich alles ›abspielt‹ und bei ausreichender Einsicht sogar vorausgesagt werden kann.

Doch die vollständige Kenntnis der Regeln läßt den Zuschauer noch nicht begreifen, worin das Ziel der Bewegungen auf dem Spielfeld besteht. Es könnte sogar seine Hypothese bleiben, daß der Punkt höchster Sensitivität unter den Figuren der König ist, ohne daß er je erfährt, welchen Finalpunkt dessen Empfindlichkeit hat. Nicht nur, daß die beobachteten Spiele zu Remis oder Patt führen können, noch wahrscheinlicher und zuschauend schwerer zu begreifen wäre, daß die routinierten Spieler ihre Partien schon bei erkannter Mattstellung abbrechen, ohne diese noch herbeizuführen. Dem Zuschauer bliebe Hypothese, worauf alles hinaus sollte.

Lichtenberg erwähnt nur en passant, daß auch die Spieler ihrerseits mit Hypothesen arbeiten müssen, obwohl alle Elemente und Stellungen offen vor ihnen liegen und sie ›wissen‹, worauf es hinaus soll. Nur wissen sie dies eben nicht für jeden Zug des Gegners. Kartenspiele, bei denen mit verdeckten Karten gespielt wird, machen das noch deutlicher: L'hombre kann ohne Hypothesen nicht gespielt werden.

Doch solche Bemerkungen sind die Ausnahme. Das Interesse bei Wittgenstein wie bei Lichtenberg richtet sich nicht auf Spieler und Spiel, sondern auf den Zuschauer als den Typus dessen, der erst herausbekommen muß, ›was gespielt wird‹. Der Philosoph ist nicht mehr selbst der Weltzuschauer, der Kosmotheoros. Er ist, in nächster Instanz gleichsam, der Zuschauer des Zuschauers. Er beobachtet dessen seltsam-befremdliches Gebaren. Man hat lange geglaubt, dieses ›Dabeistehen‹ des Philosophen ziele darauf, dem Naturforscher auf die Schliche seiner Methoden zu kommen. Inzwischen möchten manche genauer wissen, welche Stellung den ›Spielgewinn‹ bezeichnen würde.  - (blum3)

Zuschauer (7)  Da ist  ein Platz mit Holzgerüst, ein Marktgerippe und dicht dabei die Produktenhandlung der Witwe Kohlmann, die auch Lumpen hat; und über Altpapierbündeln, Bettstellen und Fellen hat sie an der Lattenveranda ihrer Handlung Geraniumtöpfe. Geranium, pochendes Rot in träg grauer Welt, in das ich lange hineinsehen muß. Die Witwe wirft mir böse Blicke zu. Zu schimpfen getraut sie sich nicht, sie hält mich vielleicht für einen Geheimen, am Ende sind ihre Papiere nicht in Ordnung. Und ich meine es doch gut mit ihr, gern würde ich sie über ihr Geschäft und ihre Lebensansichten befragen. Nun sieht sie mich endlich weggehen und gegenüber, wo die Querstraße ansteigt, in die Kniekehlen der Kinder schauen, die gegen die Mauer Prallball spielen. Langbeinige Mädchen, entzückend anzusehen. Sie schleudern den Ball abwechselnd mit Hand, Kopf und Brust zurück und drehen sich dabei, und die Kniekehle scheint Mitte und Ausgangspunkt ihrer Bewegungen. Ich fühle, wie hinter mir die Produktenwitwe ihren Hals reckt. Wird sie den Schupo darauf aufmerksam machen, was ich für einer bin? Verdächtige Rolle des Zuschauers! - (hes)

Zuschauer (8)

Zuschauer

- Alfred Kubin

Zuschauer (9)  Der Koch sagte: »Der ganze Mensch muß tun«, das stimme wohl für einen Bäcker oder einen Einsiedler oder einen Liebhaber übrigens genauso wie für einen Koch. Und er habe auch gerade »als ganzer« gekocht, er habe das ja selber dann geschmeckt. Nur sei es vielleicht zu diesem und jenem Bruch in seinem Rhythmus gekommen durch ihre, der lieben Besucherin, Anwesenheit. Er meine damit nicht ihre besondere Person, sondern überhaupt die fremde Anwesenheit, nein, gar nicht die fremde - die Abwesenheit eines gleichwelchen anderen. Sobald ihm jemand bei seinem Kochen zuschaue, komme er aus dem Rhythrnus, auch wenn so ein Zuschauer ihm gutgesonnen oder gar von seinem Tun begeistert sei - gerade ann. Er vertrage in seinem Beruf  keinerlei Zuschauer.

Und das sei auch der Fall bei Aktionen, die mit dem Speisenzubereiten gar nichts zu schaffen hätten. Wenn beim Nageleinschlagen ein anderer neben ihm stehe schlage er den Nagel »garantiert« krumm. Selbst wenn ihm jemand bloß beim Schuhzubinden zuschaue - derjenige brauche nicht eigens zu ihm hinzusehen, es genüge, daß er mit dabei sei -: garantiert ein mißlungener Knoten. - Peter Handke, Der Bildverlust. Frankfurt am Main 2002

Zuschauer (10)

- Richard Teschner

Zuschauer (11)

 

- Virgil Finlay

Zuschauer (12)

- N.N., Zuschauer bei der Explosion von Greenhouse George

Zuschauer (13)  white giant der vorgesetzte und der nachgesetzte steigen über die menschenansammlung hinweg stellen sich an und schauen zu, ein erschossener soldat steigt gleich ohne viel umstände darüber und sieht zu. king kong stemmt die weisse frau über die dichte menschenmauer springt selbst nach und schaut zu. frank zappa sieht etwas und hört etwas er und das was er sieht und hört steigen über die lebende mauer stellen sich ruhig auf und sehen zu.

hans der mitarbeiter bringt sich mit einem sprung aus dem bereich der messerscharfen klauen und reisszähne. er schleudert sein gegenpolgewehr davon und reisst das vibratormesser aus der scheide, die beiden gegner pral len in der luft aufeinander lassen ihre herzen vor triumf schneller schlagen steigen über diese lebende mauer aus menschen nicht aus dingen hinweg stellen sich auf und schauen zu.

der fledermausmensch entsichert die waffe und gleitet beinahe geräuschlos hinter den starken stamm eines baumriesen. ein lächeln huscht über sein gesicht als er den gelbhäutigen untermenschen sieht der an einem herabhängenden zweig kauert und ihn beobachtet, er er ledigt ihn schnell im kampf mann gegen mann steigt über die mauer aus leibern rümpfen und gliedmassen wischt sich die blutigen hände in die schürze und schaut zu. luci nugget empfängt mr. nugget in ihrem rosa schlaf zimmer lässt ihn aber nicht an sich heran sondern stösst ihn über die mauer aus köpfen leibern und menschlichen gliedmassen hinweg befiehlt ihm zuzusehen, mit elasti schen schritten gehen die beatles zu ihren auf dem boden liegenden gewehren heben sie auf und begeben sich an schliessend auf beutezug. sie bockspringen heidi über die menschenwand stellen sich in reihe und glied auf und sehen zu.

nach einer halben stunde verlässt otto das atelier. beim ersten blick in den spiegel erkennt er sich selbst nicht wieder, er trägt einen schnauzer eine perücke die die hälfte seines haares bedeckt und ihn um 20 jähre älter macht, in dieser aufmachung steuert er über die men schenansammlung hinweg stellt sich auf und sieht zu. alle übrigen steigen über diese menschliche mauer aus gliedmassen rümpfen und leibern hinweg und sehen auf merksam zu.

sehen nur die schmerzgeplagten die kranken die vom schicksal getroffenen zu fragt o.

keineswegs antwortet man ihm kurz alle sehen sie zu. die salve dringt mit hämmerndem stakkato in die lebende menschenmauer ein in köpfe leiber bauche glied massen und wirft sie aufs gesicht auf den rücken auf den harten bretterboden hin. die machthaber haben gespro chen glotzmünder und glotzaugen schliessen sich sofort.  - (loc)

Zuschauer (14)

Wonnevoll ist's bei wogender See, wenn der Sturm die Gewässer
Aufwühlt, ruhig vom Lande zu sehn, wie ein andrer sich abmüht,
Nicht als ob es uns freute, wenn jemand Leiden erduldet,
Sondern aus Wonnegefühl, daß man selber vom Leiden befreit ist.

- (luk)

Zuschauer (15)

Zuschauer (16)  Regungslos, zur Bildsäule erstarrt, jeder Bewegung unfähig, steht der Ärmste da, während sich in einer Entfernung von dreizehn Fuß seinen Augen folgende Szenerie enthüllt: Über das Hausmädchen war der Mörder hergefallen, als sie den Kamin, dessen Gitter sie soeben mit Graphit geputzt hatte, mit Kohlen und Holz füllte, damit sie am nächsten Tag alles bereit fand und nur das Feuer anzuzünden brauchte. Augenscheinlich muss sie beim Eindringen des Mörders mit dieser Arbeit beschäftigt gewesen sein, und höchstwahrscheinlich spielte sich der Gang der Ereignisse folgendermaßen ab. Der furchtbare, von dem Reisenden vernommene Aufschrei, der aber erst ein bis zwei Minuten nach dem Türzuschlagen erfolgte, war der erste Ausdruck ihres Entsetzens. Folglich musste jenes Anzeigen, das den jungen Mann so beunruhigt hatte, von den beiden Frauen auf unerklärliche Weise falsch gedeutet worden sein. Mrs. Williamson soll zu jener Zeit an Schwerhörigkeit gelitten haben, und das Mädchen, das mit dem Kopf halb unter dem Kamingitter steckte, mag bei dem Geräusch, das sie bei ihrer Arbeit selbst vollführte, den dumpfen Krach mit Straßenlärm verwechselt oder das heftige Zuschlagen einem Streich ungezogener Jungen zugeschrieben haben.

Tatsächlich hatte das Mädchen bis zu ihrem Aufschrei keinen Verdacht geschöpft und ihre Arbeit nicht unterbrochen. Daraus folgt, dass auch Mrs. Williamson nichts aufgefallen war, da sie sonst ihren Argwohn dem in demselben kleinen Zimmer befindlichen Mädchen mitgeteilt hätte.

Da sie zufällig mit dem Rücken zur Tür stand, hatte Mrs. Williamson wahrscheinlich den Eintritt des Mörders gar nicht bemerkt und war von ihm durch einen Schlag mit einem Brecheisen, der ihr die Schädeldecke zertrümmerte, betäubt und zu Boden gestreckt worden. Erst das Geräusch ihres Falles, der ebenso wie der tödliche Streich das Werk eines Augenblicks war, hatte die Aufmerksamkeit des Mädchens erregt und sie zu dem Aufschrei veranlasst. Bevor sie ihn wiederholen konnte, hatte der Mörder das erhobene Werkzeug auch auf ihr Haupt niedersausen lassen. Beide Frauen waren nun auf immer unschädlich gemacht und weitere Gewalttätigkeiten eigentlich überflüssig. Allein trotz seiner Eile und der Gefahr, die jeder Zeitverlust für ihn heraufbeschwören konnte, hielt der Unhold es doch für notwendig, den beiden Opfern die Kehle durchzuschneiden und dadurch alle Wiederbelebungsversuche und etwaige Aussagen gegen ihn unmöglich zu machen. Mrs. Williamson war mit dem Kopf zur Tür auf den Rücken gefallen. Das Mädchen hatte sich aus seiner knienden Stellung nicht erheben können und den Kopf widerstandslos dem Todesstreich dargeboten, worauf der Unmensch nur den Hals der Unglücklichen zurückzubeugen brauchte, um durch einen Schnitt den Mord zu vollenden.

Es äst merkwürdig, dass der junge Kaufmann, obgleich von Schreck wie gelähmt, sodass er dem Löwen geradezu in den Rachen getaumelt wäre, doch imstande war, alles Wesentliche zu bemerken und zu erfassen. Der Leser muss ihn sich vorstellen, wie er den Mörder beobachtet, der sich gerade über Mrs. Williamson beugt, um die Tote nach Schlüsseln zu durchsuchen. Zweifellos befand sich der Mörder in einer peinlichen Lage. Wenn es ihm nicht gelang, die erforderlichen Schlüssel rasch zu finden, so hatte die ganze grausige Tragödie keinen weiteren Erfolg als den, das Entsetzen des Publikums aufs äußerste zu steigern, die Leute zu zehnfach erhöhter Wachsamkeit zu veranlassen und damit doppelte Hindernisse zwischen dem Mörder und seiner künftigen Laufbahn aufzutürmen. - Thomas de Quincey, Der Mord als schöne Kunst betrachtet. [O. O., Berlin ?] 2002

Geschehen Theater Publikum Schauen Passivität

 

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{?}

VB

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