usammenstoß
Der geheimnisvolle Zusammenstoß zweier Schiffe, deutscher und französischer
Nationalität, erregt die Neugier der Nachrichtenmagazine, zumal bekannt wird,
daß beide Schiffe zur Zeit des Zusammenstoßes mehrere Seemeilen von einander
entfernt waren. Wochen später werden von unsichtbaren Dieben, die von unersättlicher
Raffgier geplagt sind, die seltsamsten und bisweilen unsinnigsten Dinge entwendet.
Eines Morgens fehlen Hahn und Wetterfahne auf der Kirchturmspitze, in der Nachbarschaft
wird ein Zicklein gestohlen und jungen Bäumen am Wegesrand werden mit einer
gewaltigen Schere, wie man behauptet, die Kronen gestutzt. Verdächtigt werden
zwei Italiener. Allein es soll sich als unmöglich herausstellen, ihre Schuld
zu beweisen oder ihrer habhaft zu werden. Die Ereignisse spitzen sich zu. Die
unsichtbaren Diebe, denn das ist zunächst das Geheimnisvollste, stehlen immer
sinnlosere Sachen in immer größerem Umfang. Plötzlich verschwinden
sogar die zwei Italiener, von einer dunklen Kraft
in den Himmel geschleudert.
-
Jörg Krichbaum, Rein A.Zondergeld: Die Sehnsucht der Sirene nach
dem Wasser. Die Welt des Maurice Renard. In: Polaris 4. Hg. Franz Rottensteiner.
Frankfurt am Main 1978 (Phantastische Bibliothek, st 460)
Zusammenstoß (2) Wenn man allein lebt, weiß man nicht einmal mehr, was das ist, erzählen: das Wahrscheinliche verschwindet zur gleichen Zeit wie die Freunde. Auch die Ereignisse läßt man vorbeifließen; man sieht plötzlich Leute auftauchen, die reden und wieder weggehen, man gerät mitten in Geschichten ohne Hand und Fuß: man würde einen miserablen Zeugen abgeben. Aber alles Unwahrscheinliche dagegen, alles, was in den Cafés nicht geglaubt werden könnte, entgeht einem nicht. Zum Beispiel am Sonnabend, gegen vier Uhr nachmittags, am Rand des hölzernen Gehsteigs der Bahnhofsbaustelle, lief eine kleine Frau in Himmelblau lachend rückwärts und winkte mit einem Taschentuch. Im gleichen Augenblick bog ein Neger in cremefarbenem Regenmantel, gelben Schuhen und einem grünen Hut um die Straßenecke und pfiff. Die Frau ist mit ihm zusammengestoßen, immer noch rückwärts laufend, unter einer Laterne, die an der Bretterwand hängt und abends angezündet wird. Da war also gleichzeitig dieser Bretterzaun, der so stark nach feuchtem Holz riecht, diese Laterne, dieses blonde Frauchen in den Armen eines Negers, unter einem Feuerhimmel. Zu viert oder zu fünft hätten wir vermutlich das Aufeinanderprallen, alle diese zarten Farben bemerkt, der schöne blaue Mantel, der aussah wie eine Daunendecke, der helle Regenmantel, die roten Scheiben der Laterne; wir hätten über die Verblüffung auf diesen beiden Kindergesichtern gelacht.
Es ist selten, daß ein allein lebender Mensch Lust
hat zu lachen: das Ganze hat sich für mich mit einem
sehr starken, fast wilden, aber reinen Sinn belebt. Dann fiel es auseinander,
und zurück blieb nur die Laterne, der Bretterzaun und der Himmel; so war es
noch ganz schön. Eine Stunde später brannte die Laterne, der Wind wehte, der
Himmel war schwarz: es war gar nichts mehr übrig. - Jean-Paul Sartre,
Der Ekel. Reinbek bei Hamburg 2004 (zuerst 1938)
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