Zunge abschneiden     Sie warnte ihn eindringlich, ja nicht dem Kholomodumo nahe zu kommen. Doch der Knabe brannte vor Begierde, mit dem Ungeheuer zu kämpfen. Endlich konnte ihn die Mutter nicht mehr halten, er zog aus, bewaffnet mit seinen Lanzen und seinem großen Messer und suchte den Kholomodumo.

Eines Tages fand er ein dickes schwarzes Etwas im Wege liegen, eine Meile lang. Es war die gefürchtete Zunge des Ungeheuers. Blitzschnell schwang er sein Messer und hieb sie mitten entzwei. Nun konnte ihn das Untier nicht mit der Zunge packen. Er ging weiter, da lag der Kholomodumo wie ein großer, langgestreckter Berg. Mit aufgesperrtem Rachen schnappte er nach ihm. Der Knabe aber sprang zur Seite und warf dem Untier eine Lanze ins Auge. Der Bauch des Untiers war von dem vielen Fressen dick aufgetrieben, daher konnte es sich nicht gleich schnell herumwenden. Er warf die zweite Lanze in das andere Auge. Da war das Ungeheuer blind. Nun stach er darauf los, immer in den Kopf hinein, bis der Tod den Rachen des Tieres schloß. Er betastete jetzt den Bauch, um zu sehen, wo er ihn aufschneiden könnte. Schließlich setzte er das Messer an, da hörte er drinnen ein Rind vor Schmerzen brüllen. Er stach an einer anderen Stelle hinein, da heulte ein Hund. Er probierte an einer dritten Stelle, da schrie ein Mensch:

»Laß sein, du verwundest mich!«

Da wußte er nicht mehr, was er anfangen sollte. Schließlich dachte er:

»Ach, wenn ich euch auch ein wenig verwunde, ich muß euch heraushelfen, ich kann euch doch nicht hier im Tode lassen.«

Gesagt, getan; er schnitt den Bauch der Lange nach auf, da kamen sie alle heraus, Menschen und Tiere. Nun strömten sie zurück in ihre verwüsteten Heimstätten und bauten sie wieder auf. Auch der Heldenknabe zog mit seiner Mutter zu ihnen.

Eines Tages hielten die Menschen eine große Ratsversammlung. Die einen sagten:

»Laßt uns den Knaben zum Könige machen.«

Die anderen aber sagten:

»Er hat uns mit seinem großen Messer so arg verwundet, wir sind ihm noch gram. Auch ist er kein Mensch wie wir, er ist ein Hexenmeister, auf, laßt uns ihn töten!«

Die Mordbuben gewannen die Oberhand, sie überfielen den Knaben und schlugen ihn tot. Doch als er starb, verließ er die Erde und ging zu den Göttern, wo er König wurde. - Afrikanische Märchen. Hg. Carl Meinhof und Hermann Jungraithmayr. München 1991 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

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