ugerichtet
werden
Wir schnappten Erzählungen auf, in denen es hieß, es handele sich um die Gattin
eines angesehenen Arztes, einer der ersten Köpfe der Rednergemeinschaft vom
Marktplatz, die nackt gewesen sei und, obgleich fürchterlich zugerichtet, gelächelt
habe. Wir überlegten damals, wenn wir unsere Funde betrachteten, was dieses
»fürchterlich zugerichtet«, das in den Erzählungen der Erwachsenen immer wieder
auftauchte, bedeuten könne, und schon bald verband es sich mit dem Unheimlichen
der düsteren Erzählungen aus dem Bereich der Sexualität: den Pärchen, die nicht
mehr auseinanderkamen, dem Blut, das den Frauen einmal im Monat aus dem Geschlecht
floss und das sie in Binden auffingen, die sie nachts heimlich irgendwo loszuwerden
versuchten, den unehelichen Kindern, die man an uns unbekannten Merkmalen erkennen
konnte, dem Blindwerden beim Betrachten einer nackten Frau und dem Tritt in
die Hoden bei der zufälligen Begegnung mit einem aufeinanderliegenden Paar hinter
den Rhabarberfeldern. Aber dieses Zurichten war mehr, es war das Hinrichten
für den ungehemmten Trieb, das Aufbrechen eines Tiers, das Gefügigmachen, wie
ich es mir später in den unerträglich langsam verstreichenden Stunden im Turm
zwischen den beiden riesigen Eichen vorstellte, wenn ich an das Wohnzimmer dachte,
mit dem Waschbecken, in das ich Blut rinnen sah und Reste von Eierstichsuppe.
- (raf)
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