ufallsgast  Das Verhalten des Menschen, dessen Körper mehr als 30 Arten von Schmarotzern - Amöben, Milben, Band- und Hakenwürmer - beherbergt, scheint gegen Parasiten nicht gefeit. Wenn beispielsweise der tropische Guineawurm Dracunculus medinensis den Menschen verlassen will, dann lotst er ihn gezielt ans Wasser.

Zu Beginn der Invasion schlummert der Parasit noch friedlich im Körper. Aber wenn nach ungefähr einem Jahr die Jungen schlüpfen, dann packt die Horde die Umzugslust. Mit gezielten chemischen Attacken provoziert der Nachwuchs das menschliche Immunsystem; als Reaktion brechen vor allem an den Beinen peinigende Geschwüre auf.

Am besten lässt sich der Schmerz mit kühlem Wasser mildern - und genau darauf ist die Strategie der Würmer angelegt. Denn sobald der Infizierte die eitrigen Extremitäten ins Wasser taucht, fällt der Startschuss für eine gewaltige Stampede: Millionen von Jungwürmern schwimmen aus den Wunden los und befallen ihre Zwischenwirte, bestimmte Kleinkrebse.

Ein ebenfalls wenig geheurer Organismus findet sich - als Zufallsgast - in jedem zweiten Menschen: das Sporentierchen Toxoplasma gondii. Natürlicherweise lebt der Einzeller in Katzen (Hauptwirt) und in Ratten (Zwischenwirt). In letzteren weckt er eine fatale Neigung: Infizierte Nager verlieren ihre angeborene Angst und entwickeln sogar eine "unkluge Anziehung" zu gefräßigen Katzen, wie es die Parasitologin Joanne Webster von der University of Oxford formuliert. Mit den furchtlosen Ratten gelangt auch Toxoplasma in den Darm seines Hauptwirts, der Katze.

Als biologischer Irrläufer landet der Parasit, beispielsweise wenn man eine infizierte Katze streichelt, häufig in Menschen und setzt sich - für immer - im Gehirn fest. Glaubt man tschechischen Forschem, so kann diese Dauerbesiedlung sonderliche Folgen für die Persönlichkeit haben.

Die Gruppe um Jaroslav Flegr von der Karls-Universität in Prag hat 170 Frauen und 224 Männer untersucht; die meisten von ihnen waren Biologiestudenten oder Mitarbeiter des Zoologischen Instituts. Einerseits ermittelten die Forscher, wer mit Toxoplasma infiziert war; zum anderen ergründeten sie den Seelenzustand mit Hilfe eines Fragebogens.

Das Ergebnis ließ die Forscher frösteln: Die angesteckten Menschen unterschieden sich in ihrer Persönlichkeit merklich von Menschen ohne Erreger im Hirn. Die infizierten Männer (27 Prozent der Untersuchten) hatten beispielweise eine deutlich geringere Bereitschaft, moralische Standards zu akzeptieren.

Infizierte Frauen (23,5 Prozent) wiederum erschienen seltsam gelöst, oft geradezu vorwitzig.

Die weit verbreiteten, scheinbar schlummernden Toxoplasma-Infektionen, prophezeit Parasitologe Flegr, könnten sich als "ernstes und äußerst unterschätztes medizinisches Problem erweisen". Die seelischen Veränderungen entstünden vermutlich durch jene "biologisch aktiven Substanzen", mit denen sich Toxoplasma normalerweise das Rattenhirn unterwirft. - Jörg Blech (Der SPIEGEL #37/2000)
 
Zufall Parasit Gast
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