üchtigkeit Mein
Onkel Toby Shandy, Madame, war ein Gentleman, der neben den Tugenden, die gewöhnlich
den Charakter eines ehrenwerten und rechtschaffenen Mannes bestimmen, noch eine
andere in einem sehr hohen Grade besaß, die selten oder niemals aufgeführt wird,
und diese war eine außerordentliche und unvergleichliche Züchtigkeit der Natur;
doch nehme ich das Wort Natur deshalb zurück, damit ich nicht eine Frage vorwegnehme,
die nächstens zur Sprache kommen muß, und diese ist, ob diese seine Züchtigkeit
natürlich oder erworben war. Auf welche Weise auch mein Onkel dazu gelangt
sein mochte, es war jedenfalls Züchtigkeit im wahrsten Sinne, und zwar, Madame,
nicht in Worten, denn er war so unglücklich, in dieser Hinsicht keine große
Wahl zu haben, sondern in Sachen. Und diese Art Züchtigkeit beherrschte ihn
dergestalt und ging bei ihm so weit, daß sie womöglich der Züchtigkeit einer
Frau fast gleichkam, jenem weiblichen Zartgefühl, Madame, und jener innerlichen
Reinheit der Sinne und Gedanken, die Ihrem Geschlecht eigen sind und durch die
Sie dem unsrigen so große Ehrfurcht einflößen.
Sie werden denken, Madame, daß mein Onkel Toby all dies aus der wahren Quelle
geschöpft habe, daß er nämlich großenteils seine Zeit im Umgang mit Ihrem Geschlecht
zugebracht und daß er durch eine gründliche Kenntnis Ihres Wesens und durch
die Macht der Nachahmung, welche so schöne Beispiele unwiderstehlich machen,
diese liebenswürdige Eigenschaft des Gemüts erworben habe.
Ja, ich wollte, daß ich das sagen könnte; doch außer mit seiner Schwägerin,
meines Vaters Frau und meiner Mutter, wechselte mein Onkel Toby mit einer anderen
Frau kaum drei Worte in ebenso vielen Jahren. Nein, er erlangte sie auf einen
Schlag, Madame. Ein Schlag! Ja, Madame, durch den Schlag eines Steines, der
bei der Belagerung von Namur durch eine Kanonenkugel von der Brustwehr eines
Hornwerks abgerissen und meinem Onkel Toby gerade aufs Latzbein geschleudert
wurde. - (
shan
)