opf  Eine geringe Gabe der Unterscheidung zwischen "mein und dein" ist dem chinesischen Volksstamm angeboren. Die strenge Kriminal-Gerichtsbarkeit leistet zur Beseitigung des Uebels nur wenig. Der dritte Raub und Diebstahl wird in manchen Ländern mit lebenslänglicher Zuchthausstrafe, in China mit Enthauptung bestraft. Das Leben steht nicht sonderlich hoch im Preise. Ist ein Gefängnis überfüllt, so werden, nur um zu räumen, einer ausreichenden Anzahl von Sträflingen die Köpfe abgeschnitten. In der Verschmitztheit haben es die Diebe aller Welt- und Handelsstädte sehr weit gebracht, doch scheinen die Talente von Peking allen anderen den Rang abzulaufen.

Häufig kommt es vor, dass ein auf frischer That ertappter Verbrecher, wenn er von den Polizeibeamten der Landessitte gemäss am Zopfe gepackt und in Gewahrsam gebracht wird, diesen in der Hand des Häschers zurücklässt und entspringt. Da er gewöhnlich den Originalzopf schon durch frühere Bestrafungen eingebüsst, hat er sich einen falschen zugelegt, der in derartigen kritischen Fällen seinem Inhaber die besten Dienste leistet. - (hel)

Zopf (2)  »Mädchen, Gott schmeckt nach Ihren Händen, wenn ich das Abendmahl nehme!«, flüsterte der im Überrock, während er über die Glut seiner Augen den Rost seiner Wimpern fallen ließ.

Die Novizin zog die Hände von den Hostien zurück, als sie die Lästerung hörte ... Nein, es war kein Traum ...! Dann betastete sie sich die Arme, die Schultern, den Hals, das Gesicht, den Zopf ... Sie hörte auf zu atmen, einen Augenblick, so lang wie ein Jahrhundert, als sie den Zopf fühlte. Nein, es war kein Traum; unter der lauen Flechte ihres Haares kam sie zu sich und wurde ihrer Zierden als Weib bewußt, indes der Schlafmohnmann ihrer teuflischen Hochzeit beiwohnte, samt einer Kerze, die am äußersten Ende des Zimmers brannte, das langgestreckt war wie ein Sarg. Das Licht hielt die undenkbare Wirklichkeit des Geliebten aufrecht, der die Arme ausstreckte wie ein Christus, welcher im letzten Sakrament sich zur Fledermaus verwandelt hätte, und es war ihr eigen Fleisch! Sie schloß die Augen, um, eingehüllt in ihre Blindheit, jener Höllenvision zu entrinnen, jenem Mann, der allein durch sein Mannsein sie streichelte, noch dort, wo sie Weib war - die greulichste aller Begierden! -; doch, sobald sie ihre runden, blassen Lider senkte, erhob sich von ihren Schuhen, jammergetränkt, die gelähmte Nonne, und schneller noch schlug sie sie wieder auf ... Sie durchbrach den Schatten, öffnete die Augen, drang aus dem Abgrund ihres Inneren hervor mit Pupillen, die hin und her jagten wie Mäuse in der Gitterfalle, verstört, taub, mit entfärbten Wangen- Nadelkissen der Tränen -, schaudernd zwischen dem Röcheln eines fremden Todeskampfes, den sie an ihren Füßen trug, und dem Pechschwall ihres in unsichtbarer Flamme gewundenen Zopfes, den sie auf dem Rücken trug ... Und sie geriet von Sinnen. Zwischen einer Leiche und einem Mann, das Schluchzen unauflösbaren Behextseins auf der Zunge, die sie als giftig empfand wie ihr Herz, stürzte sie, halb irr, die Hostien verstreuend, nach ihrer Schere, und als sie sie fand, schnitt sie sich den Zopf ab und floh - frei von seinem Zauber - in die sichere Obhut der Mutter Oberin, ohne noch auf ihren Füßen die der Nonne zu spüren ...

Doch als der Zopf zur Erde fiel, war er kein Zopf mehr: er bewegte sich, wand sich auf dem Polster der auf dem Boden verstreuten Hostien. Der Schlafmohnmann wandte sich nach dem Licht. An den Wimpern zitterten ihm die Tränen wie die letzten Flämmchen am Schwefelkopf eines erlöschenden Streichholzes. Mit ersticktem Keuchen glitt er über die Wand hin, ohne die Schatten zu bewegen, lautlos auf die Flamme zustrebend, die er für seine Rettung hielt. Bald löste sich sein gemessener Gang in entsetzte Flucht auf. Das Reptil ohne Kopf kroch aus dem heiligen Laub der Hostien hervor und steuerte auf ihn zu. Wie das schwarze Blut eines toten Tieres glitt es zu seinen Füßen, und plötzlich, als er nach dem Licht griff, schnellte es hoch, mit dem Klatschen leicht und frei hinschießenden Wassers, um sich wie eine Peitschenschnur um die Kerze zu ringeln, und ließ sie, bis sie sich verzehrt hatte, um die Seele dessen weinen, der mit ihr für immer dahinschwand. Und so gelangte der Schlafmohnmann in die Ewigkeit, um den die Kaktusse noch immer weiße Tränen weinen.

Der Teufel war wie ein Hauch durch den Zopf gegangen, der, als die Flamme am Docht erlosch, schlaff zu Boden fiel.

Und um Mitternacht, zum Cadejo verwandelt, einem langen Tier - bei Vollmond doppelt so groß wie ein Widder, bei Neumond ragend wie eine Trauerweide — mit Bockshufen, Hasenohren und einem Fledermausgesicht, schleppte der Schlafmohnmann den Zopf zur Hölle, welcher der Novizin gehört hatte.   - Miguel Angel Asturias, Legenden aus Guatemala. Frankfurt am Main 1973 (BS 358)

Zopf (3)

- N.N.

Zopf (4)

Zopf (5)

- Guido Crepax

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