Zinsen  Vorhandenes Vermögen soll man betrachten als eine Schutzmauer gegen die vielen möglichen Uebel und Unfälle; nicht als eine Erlaubniß oder gar Verpflichtung, die Plaisirs der Welt heranzuschaffen. Leute, die von Hause aus kein Vermögen haben, aber endlich in die Lage kommen, durch ihre Talente, welcher Art sie auch seien, viel zu verdienen, gerathen fast immer in die Einbildung, ihr Talent sei das bleibende Kapital und der Gewinn dadurch die Zinsen. Demgemäß legen sie dann nicht das Erworbene theilweise zurück, um so ein bleibendes Kapital zusammenzubringen; sondern geben aus, in dem Maaße, wie sie verdienen. Danach aber werden sie meistens in Armuth gerathen; weil ihr Erwerb stockt, oder aufhört, nachdem entweder das Talent selbst erschöpft ist, indem es vergänglicher Art war, wie z. B. das zu fast allen schönen Künsten, oder auch, weil es nur unter besondern Umständen und Konjunkturen geltend zu machen war, welche aufgehört haben. Handwerker mögen immerhin es auf die besagte Weise halten; weil die Fähigkeiten zu ihren Leistungen nicht leicht verloren gehn, auch durch die Kräfte der Gesellen ersetzt werden, und weil ihre Fabrikate Gegenstände des Bedürfnisses sind, also alle Zeit Abgang finden; weshalb denn auch das Sprichwort »ein Handwerk hat einen goldenen Boden« richtig ist. Aber nicht so steht es um die Künstler und virtuosi jeder Art. Eben deshalb werden diese theuer bezahlt. Daher aber soll was sie erwerben ihr Kapital werden; wahrend sie, vermessenerweise, es für bloße Zinsen halten und dadurch ihrem Verderben entgegengehn. - Leute hingegen, welche ererbtes Vermögen besitzen, wissen wenigstens sogleich ganz richtig, was das Kapital und was die Zinsen sind. Die Meisten werden daher jenes sicher zu stellen suchen, keinesfalls es angreifen, ja, wo möglich, wenigstens 1/8 der Zinsen zurücklegen, künftigen Stockungen zu begegnen. Sie bleiben daher meistens im Wohlstande.   - Schopenhauer, Aphorismen zur Lebensweisheit. Nach (schop)
 
 

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