immermädchen    Da steht eine ältere Person mit Papieren an einem Tisch. Ich denke: und wo ist das Zimmermädchen? Die Person spricht mich an, in einer Sprache, die man in Polen anscheinend mit Deutsch, in Deutschland unbedingt mit Polnisch bezeichnet. Sie sagt - und ich gerate in Verwirrung, eine Ohnmacht wandelt mich liebreich an -: sie sei das Zimmermädchen. Sie eigenhändig. Das angestammte Zimmermädchen meines Zimmers im zweiten Stock. Vollkommen sie. Ich sammle meine Gedanken: «Wie sind Sie denn die Treppe heruntergekommen? Und andererseits -» «Was andererseits?» «Andererseits sahen Sie doch eben anders aus. Oben. Jünger. Sie hatten einen Besen im Gesicht, in der Hand.» «Ich einen Besen?» «Ja, Sie haben sich verwandelt. Wie sind Sie plötzlich älter geworden. Was geht hier vor? Was sind das für Dinge? Wie sind Sie die Treppe heruntergekommen, was ist auf dem Wege von oben mit Ihnen passiert? Und überhaupt: was wollen Sie? Ich habe doch schon oben -» Da öffnet sich die Tür, das junge Mädchen von vorhin blickt einen Augenblick hinein und stäubt im Moment zurück. Ich gewinne Tenance, Haltung: «Also so ist es. Überrumpelung!» Ich sprühe Zorn: «Das war ja das Zimmermädchen. Sie ist das Zimmermädchen. Nicht Sie. Sie sind gar nicht älter geworden. Sie standen hier und lauerten. Sie waren schon vorher alt. Uralt. Sie kennen das Gewerbe.» Mitleidig gibt mir die Person einige Worte, ruft den Portier, der, mich von der Tür her mit inquisitorischer Strenge musternd, auftrumpft: sie sei das angestammte Zimmermädchen. Darauf schlägt er die Arme übereinander, bleibt napoleonisch auf der Schwelle. Er und die Person tauschen Blicke. Was planen sie. Ich bin allein auf  weiter Flur. Ob ich zum Fenster hinausspringen soll. In Berlin hat .man die Feuerwehr und das Überfallkommando. Ich habe mich schon gestern erkundigt: man kann von hier nicht nach Berlin telephonieren. Erst in Kattowitz kann man telephonieren. - Alfred Döblin, Reise in Polen. München 1987 (dtv 2428, zuerst 1925)

Zimmermädchen (2)  Er  läutete an der Tür der Wohnung Nr. 50.

Ihm wurde sofort geöffnet, aber der Kantinenwirt fuhr zurück und zögerte einzutreten. Das war verständlich. Geöffnet hatte ihm eine Frau, die nichts anhatte außer einer koketten Spitzenschürze und einem weißen Häubchen. Ach ja, an den Füßen trug sie goldene Schuhchen. Ihre Figur war makellos, und eine rote Narbe an ihrem Hals war der einzige Defekt an ihrem Äußeren.

»Nun kommen Sie doch rein, wenn Sie schon geklingelt haben«, sagte die Frau und starrte den Kantinenwirt mit grünen verderbten Augen an.  - (meist)

Zimmermädchen (3)  Sie wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und öffnete die Tür des Kleiderschranks. Sie bückte sich, fuhr in das Durcheinander aus schmutzigen Hemden auf dem Schrankboden  und zog eine Flasche Gin hervor. Sie tat es wie }emand, der ein Kaninchen am Genick faßt und aus einem Loch zieht.

Der Anblick der Flasche erfreute sie durchaus nicht, sondern verstärkte eher ihre moralische Entrüstung. »Was glaubt er denn, wer hier außer mir ins Zimmer kommt? Er weiß doch, daß außer mir keiner herein kann. Es ist was Schreckliches mit mißtrauischen Menschen.«

Sie hob die Flasche an den Mund und nahm einen kräftigen Schluck. Danach schlurfte sie zum Waschbecken und drehte den Kaltwasserhahn auf. Mit traumwandlerischer Sicherheit, die auf langjährige Erfahrung schließen ließ, hielt sie die Ginflasche einen kurzen Augenblick unter den Wasserstrahl und zog sie dann wieder zurück. Mit diesem einen Griff hatte sie in etwa die fehlende Flüssigkeitsmenge wieder aufgefüllt. Das war auch nicht so schwierig, wie man meinen sollte, denn der Mißtrauische von neunzehn pflegte bei seinen Flaschen immer deutlich sichtbar die Höhe des Alkoholspiegels mit einem Bleistiftstrich zu markieren. Nach einem prüfenden Blick stellte sie fest, daß sie es zu gut gemeint hatte. Sie korrigierte den Fehler, indem sie noch einen Schluck trank. Dabei redete sie sich langsam in Wut. »Dieser alte Stinkstiefel! Dieser alte Geizkragen!« Ihre Kulleraugen funkelten vor Zorn, und die goldenen Münzen wippten erregt an ihren Ohren. »Eins kann ich ums Verplatzen nicht ausstehen. Und das sind Leute, die mir mißtrauen!«  - Cornell Woolrich, Die Braut trägt schwarz. In: C. W., Phantom Lady / Die Braut trägt schwarz. München 1985

 

Zimmer Mädchen

 

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