igarettenholen
Abschaffel brauchte Zigaretten, und er überlegte, wo sich der
nächste Automat befand. Weil er es nicht wußte, ging er ohne Plan einige
Straßen weiter und suchte Hauswände und Eisengitter ab. Bald hatte er einen
neuen entdeckt. Ein riesiger Schäferhund lag genau vor dem Automaten. Er
streckte die Läufe tief in den Bereich des Gehwegs hinein, und seine rosa
Zunge hing weit aus dem Maul und zuckte. Diese ungeheure Zunge!
Er vergaß für ein paar Augenblicke, daß er eigentlich Zigaretten holen
wollte, und starrte auf die Zunge, die wie ein alter Schuhlöffel unten
breiter war als in der Mitte. Vielleicht war der Hund gereizt wegen der
Hitze und des Betons, auf dem er lag. Abschaffel fürchtete sich vor Hunden.
Als er Kind war, hatte er sich nie vor Hunden gefürchtet, aber heute fürchtete
er sich vor ihnen. Es war ein ganz neuer Automat, unter dem der Schäferhund
lag, das hatte Abschaffel schon von weitem gesehen. Er konnte neben den
Münzeinwurfschlitzen sogar ein aufgelötetes Metallschildchen entdecken,
auf dem Name und Anschrift des Besitzers angegeben waren, und das gab es
nur bei neuen Automaten. Erst wenn die Automaten in die Jahre kamen und
Rost ansetzten, verschwand, wahrscheinlich im gleichen Tempo, die Leserlichkeit
des Namens des Besitzers, so daß sich mit zunehmendem Alter Automat und
Besitzer immer weniger einander erinnern mußten.
Abschaffel wandte sich verdrossen ab. Das Mißverständnis, daß der Hund
vielleicht glaubte, er, Abschaffel, wolle etwas gegen ihn unternehmen,
indem er auf den Automaten zuging, wollte er nicht riskieren. Er suchte
weiter und kam beträchtlich von seiner Wohnung ab, als er zum drittenmal
einen neuen Zigarettenautomaten suchte. Er ärgerte sich, weil er vor dem
Hund Angst gehabt hatte; das war ihm unerklärlich.
Er war nie von einem Hund gebissen worden. Was diese Tiere in den Städten
eigentlich wollten, wußte niemand. Plötzlich sah er an einem eisernen Vorgartenzaun
einen Zigarettenautoma ten hängen. Er ging gleich zu ihm hin, da spritzte
plötzlich ein Wasserstrahl zwischen den Eisenstäben des Vorgartenzauns
heraus auf den Gehweg. Abschaffel verzögerte seinen Schritt, und im langsamen
Hingehen erkannte er, daß im dahinter liegenden Garten ein halbnacktes
Kind mit einem Schlauch den Garten wässerte. Er
wollte nicht von einem Hund gebissen, aber er wollte auch nicht von einem
Wasserschlauch angespritzt werden. Und das Kind spritzte oft daneben, beziehungsweise
es machte ihm wahrscheinlich Spaß, von hinten genau neben dem Automaten
auf den Gehweg herauszuspritzen. Tatsächlich war der Platz vor dem Automaten
ganz naß. Abschaffel war trotzdem sicher, daß er nicht einen neuen Automaten
suchte. Das Kind war sicher leicht auszuschalten. Es war nicht vorher auszumachen,
wohin es spritzen würde; es spritzte sich sogar selbst aus Versehen. Abschaffel
ging auf die andere Seite der Straße. Er wollte von vorne und direkt auf
den Automaten zugehen. Zunächst aber wollte er warten, bis das Kind ihn
gesehen hatte. Er hatte sich überlegt, daß er das Kind, sobald es ihn zufällig
mit dem Blick streifte, scharf anblicken und zugleich mit energischen Schritten
über die Straße gehen würde, so daß das Kind glauben mußte, es sei bedroht.
In dieser Handlungslücke, in der das Kind den Schlauch wahrscheinlich
sinken ließ, wollte er sich eine Schachtel ziehen. Als es soweit war, ging
Abschaffel mit festen Schritten über die Straße, und aus Ängstlichkeit
und Überraschung ließ das Kind tatsächlich den Schlauch nach unten sinken
und sah auf Abschaffel. Er tat dem Kind nichts, sondern zog nur eine Schachtel
Zigaretten und ging nach Hause. - (
absch
)
![]() ![]() |
||
![]() |
||
![]() |
![]() |
|
![]() |
||
![]() ![]() ![]() |
||
![]() ![]() |
![]() ![]() |