iege, schwarze   Eine leise Unruhe entstand, und ein großes, kräftiges Weib, welches mir als eine der leidenschaftlichsten Tänzerinnen aufgefallen war, taumelte, trunken von gottloser Ekstase, auf uns zu und kreischte:

»Ich möchte eine schwarze Ziege, ich muß eine schwarze Ziege haben, bringt mir eine schwarze Ziege!«, und dann stürzte sie, Schaum vor dem Mund, unter gräßlichen Zuckungen und schreiend nach einer schwarzen Ziege verlangend, vor uns nieder - das abscheulichste Schauspiel, das man sich denken kann.

Sogleich umringten sie die meisten Tänzer, und nur einige blieben im Hintergrund und schlugen weiter ihre Kapriolen.

»Der Teufel ist in sie gefahren«, rief einer von ihnen. »Schnell, holt eine schwarze Ziege. Still, Teufel, still, ganz still! Gleich wird man dir die Ziege bringen. Man holt sie schon, Teufel.«

»Ich will eine schwarze Ziege, ich muß eine schwarze Ziege haben!« kreischte wieder das sich auf dem Boden wälzende Weib.

»Schon gut, Teufel, die Ziege wird gleich da sein, sei still, Teufel, sei brav!«

Und so ging es fort, bis die Ziege, aus einem Nachbarkral geholt, endlich eintraf und man das meckernde Tier an den Hörnern zu ihr zerrte.

»Ist es eine schwarze, ist es eine schwarze?« schrie die Besessene.

»Ja, ja, Teufel, schwarz wie die Nacht«, und dann zur Seite: »Stelle dich vor sie, damit der Teufel nicht sieht, daß sie einen weißen Fleck am Steiß und einen auf dem Bauch hat. Nur eine Minute noch, Teufel. So, jetzt schneide ihr rasch den Hals durch. Wo ist die Schüssel?«

»Die Ziege! die Ziege! die Ziege! Gebt mir das Blut meiner schwarzen Ziege! Ich brauche es, seht ihr denn nicht, daß ich es brauche! Oh! oh! oh! gebt mir das Blut der Ziege!«

In diesem Augenblick verriet ein jämmerliches »Bäh«, daß die arme Ziege geopfert war, und gleich darauf rannte ein Weib mit einer Schüssel voller Ziegenblut herbei. Die Besessene, deren Raserei sich zum Äußersten gesteigert hatte, ergriff sie, trank sie aus und war im gleichen Augenblick geheilt, ohne daß von ihrer Hysterie oder Epilepsie oder Besessenheit oder an welcher schrecklichen Krankheit sie auch immer leiden mochte, auch nur eine Spur zurückblieb. Sie reckte die Arme, lächelte leise und ging ruhig wieder zu den Tänzern, die sich nun in zwei Reihen wieder zurückzogen, so daß der Platz zwischen uns und dem Scheiterhaufen wiederum leer war.  - Henry Rider Haggard, Sie. Zürich 1970 (zuerst ca. 1886)

 

Ziege

 

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