Zerstörungstrieb  Auch dem Schläfenbeine, dem eigentlichen Sitze des Gehörs, legte Gall noch, hier jedoch offenbar verführt durch einen irrigen Gebrauch, den er von den Erkenntnissen der vergleichenden Anatomie machte, eine besondere Bedeutung bei, indem er deshalb, weil bei reißenden Tieren der sich über dem Ohr lagernde Beißmuskel Veranlassung gibt zu starker Wölbung dieser Knochenfläche, dort ein eigenes Organ für den Zerstörungstrieb (instinct carnassier) annimmt. Seine Nachfolger, unter denen Spurzheim allein eine gewisse wissenschaftliche Befähigung hatte, haben dann den größten Theil dieser Wölbung, und zwar mehr der obigen Gedankenfolge nachgehend, zum Organ des Verheimlichungstriebes gemacht und damit wenigstens richtiger diejenige Physiognomie des Kopfbaues erfaßt, welche eben alles, was mehr die Gehörgegend herausmodelliert, auch als Bezeichnung einer vom Hörsinne mehr als vom Augensinne bestimmten Seele anerkennt.

Im Allgemeinen muß ich übrigens noch bemerken, daß, wenn man die verschiedenen Bildungen des Mittelhauptes im Ganzen überblickt, man nie verfehlen wird, wahrzunehmen, daß es namentlich die Köpfe sind von Menschen, welche überhaupt gemüthlos und dadurch, bei rohen Lebensverhältnissen, zuletzt gehässig und verderblich für die menschliche Gesellschaft sich gezeigt haben, bei denen die Entwickelung des Mittelhauptes, sowohl nach allgemeninen Raumverhältnissen als nach nach Verhältnis der Modellirung, ungünstig und gering erscheint. - In dem schönen Werke von Lucae Zur Architectur des Menschenschädels sind mehrere merkwürdige Verbrecherköpfe abgebildet (namentlich von alt ausgelernten Dieben und Räubern), bei denen sämtlich, (mit Ausnahme eines wegen Unzucht und Mord hingerichteten Pfarrers) die Höhe des Mittelhauptes nie 5 Zoll erreicht und ebenso auch die Breite sehr gering ist, sowie die Mudulation der Flächen überhaupt. - Ein Paar dieser Schädel hier verkleinert wiederholen zu lassen, kann ich nicht umhin, da sie auch in Bezug auf die übrigen Maße, die ich nach Lucae beifüge, vielfach zum Beleg des hier Besprochenen dienen können.

Fig. 44 ist der Schädel des berüchtigten Spitzbuben und Mörders Seidenfaden aus Hessen, dessen Vorderhaupt 4 '', 5 1/2 ''' Höhe und 4 '' 3 ''' Breite, dessen Mittelhaupt 4 '' 8 ''' Höhe und 4 '' 6''' Breite, dessen Hinterhaupt 3 '' 2 ''' Höhe und 4 '' 1 ''' Breite hatte.  - Fig. 45 ist der Schädel eines ebenfalls hoch berüchtigten Gauners Friedberg, dessen Vorderhaupt 4 '' 7 ''' Höhe und 4 '' 3 ''' Breite, dessen Mittelhaupt 4 '' 7 ''' Höhe und 4 '' 9 ''' Breite, dessen Hinterhaupt 3 '' 5 ''' Höhe und 4 '' 3 ''' Breite zeigte. Das Flache und Leere von Vorderhaupt und Mittelhaupt stellt sich sehr deutlich heraus.     - Carl Gustav Carus, Symbolik der menschlichen Gestalt. Darmstadt 1962 (zuerst 1852)

 

Zerstörung Trieb

 

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