errüttung »Unser Telephon hat einen direkten Draht zu Seyboth«, sagte sie und meinte jenen Rechts- und Patentanwalt, der sich für Kulturelles interessierte. Und sie berichtete von langen Gesprächen mit Seyboth »über Gott und die Welt«, wobei sie nervös lachte. - »Er ruft mich immer wieder an, das heißt, er rutscht in unser Telephon herein oder steigt von unten herauf ins Telephon. An unserem Apparat muß irgend etwas defekt sein«, fügte sie hinzu und hatte danach ein leeres Gesicht mit halboffenem Mund und starren Augen, wobei ihre Arme schlaff herunterhingen. Oder sie brachte eine Mappe mit Reproduktionen italienischer Gemälde herbei, deren Umschlag wellig geworden war, als wäre er naß gewesen, sagte mit ratloser Miene: »Wie kann nun das da wieder ... woher kommt es ... sagen Sie mir's bitte! Es ist hinterm Heizkörper gelegen.«
Sie meinte, eine unbekannte Kraft wirke sich hier aus. -»Sie haben es hinunterfallen
lassen hinter die Dampfheizung«, sagte Eugen, und sie sah ihn an, als ob er
sie im Stich gelassen hätte; oder als hätte sie ihm eine tiefere Einsicht in
geheime Verbindungen zugetraut und wäre jetzt enttäuscht. Hätte er sagen sollen:
Der Seyboth hat's Ihnen gesendet, damit Sie aufwachen und erkennen, was es damit
auf sich hat? Dies hätte sie in ihrem Wahn bestätigt und noch mehr verwirrt.
Und nachdem Frau Lachner Hanne beiseite genommen und in ein anderes Zimmer geführt
hatte, waren beide mit zerrütteten Mienen wieder unter den anderen Gästen aufgetaucht.
Als hätte Frau Lachner Hanne angesteckt, so sah es aus. Und später sagte sie
zu Eugen: »Es war furchtbar. Bis ich das wieder aus mir draußen hab, was die
zu mir gesagt hat!« - Hermann Lenz, Seltsamer Abschied. Frankfurt
am Main 1990
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