Zeremonienmeister    Wladislaw war ein Maler, der seine glorreiche Zeit gegen Ende der dreißiger Jahre gehabt hatte. Das erste Mal kam er als Muschik gekleidet zu den »Dienstagen« Huttings. Er trug auf dem Kopf eine Art scharlachrote Mütze aus äußerst feinem Tuch, mit einem Pelzrand ringsum, ausgenommen auf der Stirn, wo etwa zehn Zentimeter Raum ausgespart waren, dessen himmelblauer Untergrund mit einer leichten Stickerei bedeckt war; er rauchte eine türkische Pfeife mit einem langen Rohr aus mit Goldfäden verziertem Saffianleder und einem mit Silber geschmückten Pfeifenkopf aus Ebenholz. Er erzählte zunächst, wie er an einem Gewittertag in der Bretagne die Nekrophilie praktiziert hatte und wie er nur mit nackten Füßen und durch ein mit Absinth getränktes Taschentuch atmend malen konnte und wie er sich auf dem Lande nach dem Sommerregen in den warmfeuchten Schlamm setzte, um mit der Mutter Natur wieder Kontakt aufzunehmen, und wie er rohes Fleisch aß, das er nach Hunnenart mürbe machte, was ihm einen unvergleichlichen Wohlgeschmack verleiht. Dann breitete er auf dem Fußboden eine große Rolle unbemalter Leinwand aus, machte sie mit etwa zwanzig hastig eingeschlagenen Nägeln fest und forderte die Anwesenden auf, zusammen darauf herumzutrampeln. Das Ergebnis, dessen unbestimmtes Grau entfernt an die »diffuse grays« aus der letzten Periode Laurence Hapis erinnerte, wurde sogleich Der Mensch mit den Sohlen vom getauft. Verblüfft beschlossen die Anwesenden, dass Wladislaw von nun an der bestallte Zeremonienmeister sein sollte, und als man sich trennte, war jeder der Überzeugung, zur Hervorbringung eines Meisterwerks beigetragen zu haben.

Am folgenden Dienstag trat zutage, dass Wladislaw seine Sache gut gemacht hatte. Er hatte alles, was in Paris Rang und Namen hatte, zusammengetrommelt und mehr als hundertfünfzig Personen drängten sich im Atelier. Eine riesige Leinwand war an den drei Wänden (ein hohes Glasfenster bildete die vierte Wand) angeheftet worden und mehrere Dutzend Eimer mit dicken Malerpinseln standen in der Mitte des Raums. Den Anweisungen Wladislaws folgend, stellten sich die Gäste entlang der Glaswand in einer Reihe auf und auf ein Zeichen hin, das er ihnen gab, stürzten sie sich auf die Töpfe, ergriffen die Pinsel und verteilten den Inhalt so schnell wie möglich auf der Leinwand. Das geschaffene Werk wurde zwar als interessant befunden, erhielt aber nicht wirklich die einmütige Zustimmung seiner improvisierten Schöpfer, und trotz seiner Bemühungen, sich Woche um Woche in seinen Erfindungen zu erneuern, erfreute sich Wladislaw nur einer Beliebtheit von kurzer Dauer.   - (rec)

Zeremonie

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