eitvertreib Abschaffel rauchte im Büro und drehte dabei zwischen Daumen und Zeigefinger
die Haare seiner Augenbrauen. Er zwirbelte kleine Bündel zusammen und sah dann
auf seine Fingerkuppen. Häufig lösten sich einzelne Haare, und Abschaffel legte
sie vorsichtig nebeneinander auf den Aschenbecherrand. Manchmal steckte er
sich ein einzelnes Augenbrauenhaar in den Mund, spielte eine Weile damit und
zerkaute es. Abschaffel wußte, daß diese Art des Zeitvertreibs keinen guten
Eindruck auf den ihm gegenübersitzenden Angestellten machte. Aber auch dieser
hielt sich zurück und sagte kein Wort.
- (
absch
)
Zeitvertreib (2) Der Zeitvertreib der Leute
sind Kämpfe abgerichteter Kater und Hinrichtungen.
Jemand wird angeklagt, gegen das Schamgefühl der Königin
verstoßen oder vor eines anderen Augen gegessen zu haben; es gibt weder Zeugenaussage
noch Geständnis, und der König diktiert seinen Verdammungsspruch.
Der Verurteilte erleidet Foltern, an die ich mich nicht erinnern möchte: dann
steinigen sie ihn. Die Königin hat das Recht, den ersten Stein zu werfen und
den letzten, der meist überflüssig ist. Die Menge rühmt ihre Geschicklichkeit
und die Schönheit ihrer Geschlechtsteile, bewirft sie mit Rosen und Übelriechendem
und jubelt ihr dabei stürmisch zu. Die Königin lächelt, wortlos.
- J. L.
Borges
, David Brodies Bericht, In:
J.L.B.,
Blaue Tiger und andere Geschichten. München 1988 (zuerst 1970)
Zeitvertreib (3) Vor Jahren, riß mir ein
Schuhschnürl, fiel ein Knopf ab, war ich wütend, erfand einen eigenen Teufel,
der diesem Ressort vorstand, und gab ihm sogar einen Namen, Gorymaaz, wenn ich
mich recht entsinne. Reißt mir heute unterwegs ein Schuhschnürl, dank ich Gott.
Denn nun darf ich mit einiger Berechtigung in ein Geschäft treten, Schuhschnürln
verlangen, die Frage, was ich noch wolle, mit: »Nichts« beantworten, an der
Kasse zahlen und mich entfernen. Oder aber: ich kauf einem der unerbittlich:
»Vier Stück fünf Kreuzer!« schreienden Knaben seine War ab und werd von mehreren
Leuten als Wohltäter angestaunt. Auf jeden Fall vergehn dadurch etliche Minuten,
und das ist auch was. - Albert Ehrenstein, Tubutsch, nach A.E.:
Gedichte und Prosa. Neuwied u.a. 1961
Zeitvertreib (4) Tralala war 15, als
sie sich das erste Mal umlegen ließ. Nicht etwa aus Leidenschaft.
Mehr als Zeitvertreib. Sie hing meist beim Griechen herum, ebenso wie die anderen
aus der Nachbarschaft. Nichts zu tun. Sitzen und quasseln. Der Musicbox zuhören.
Kaffee trinken. Zigaretten schnorren. Alles sterbenslangweilig. Sie sagte ja.
Im Park. 3 oder 4 Paare, die sich ihren eigenen Baum und einen Grasfleck suchten.
Eigentlich sagte sie gar nicht ja. Sie sagte gar nichts. Tony oder Vinnie oder
wer es gerade war machten einfach weiter. Nachher trafen sie sich alle am Ausgang
und grinsten sich an. Die Jungs kamen sich ganz groß vor. Die Mädchen gingen
voran und redeten darüber. Sie kicherten und machten Andeutungen. Tralala zuckte
die Achseln. Umgelegt werden war umgelegt werden. Wozu das Gequassel? - Hubert Selby, Letzte Ausfahrt
Brooklyn. Reinbek bei Hamburg. 1989 (zuerst 1957
Zeitvertreib (5)
Zeitvertreib (6) Da
bis zum Augenblick des Soupers noch nahezu eine halbe Stunde Zeit war, sagte
Durcet, er wolle, um sich Appetit zu machen, einige Klystieren nehmen. Man wußte
wohl, worauf das hinauslief, und alle Frauen zitterten. Aber das Verhängnis
war im Zuge, es ließ sich nicht mehr aufhalten. Therese, die an diesem Tage
Dienst hatte, versicherte ihm, daß sie ihm mit Vergnügen die Klystieren verabreichen
würde. Und sie ging von der Versicherung gleich zur Tat über. Als der kleine
Finanzier seine Eingeweide voll hatte, gab er Rosette
ein Zeichen, daß sie kommen solle und ihren Schnabel darunterhalten. Es gab
ein bißchen Sträuben, ein bißchen Zögern und Zaudern, aber es mußte gehorcht
werden! Und die arme Kleine mußte zwei Klystieren verschlucken, es dauerte,
wie man sich wohl vorstellen kann, nicht sehr lange, bis sie alles wieder von
sich gab. - (
sad
)
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