eitung  Sind die Menschen nicht mehr fest und dauernd miteinander verbunden, so kann man sie in großer Zahl nicht anders zu gemeinsamem Handeln bringen, als indem man jeden, auf dessen Mitwirkung es ankommt, davon überzeugt, daß sein eigener Vorteil ihn zwingt, seine Anstrengungen freiwillig mit denen all der anderen zu vereinigen. Das läßt sich in der Regel auf eine bequeme Art nur mit Hilfe einer Zeitung bewerkstelligen; nur eine Zeitung kann gleichzeitig denselben Gedanken in ungezählte Geister pflanzen. Eine Zeitung ist ein Ratgeber, den man nicht zu holen braucht, sondern der sich von selber einfindet und uns täglich und in Kürze über die öffentlichen Angelegenheiten unterrichtet, ohne uns in unsern privaten Angelegenheiten zu stören.

Die Zeitungen werden also um so notwendiger, je mehr sich die Menschen angleichen und je bedrohlicher der Individualismus wird. Es hieße ihre Bedeutung verkleinern, wollte man glauben, daß sie nur die Freiheit verbürgen helfen; sie erhalten die Kultur. Ich bestreite nicht, daß die Zeitungen in den demokratischen Ländern die Bürger oft nur dazu verleiten, gemeinschaftlich höchst unbesonnene Unternehmen auszuführen; ohne Zeitungen aber gäbe es beinahe kein gemeinsames Handeln. Das Übel, das sie hervorrufen, ist also erheblich geringer als das, welches sie heilen.   - Alexis de Tocqueville, Über die Demokratie in Amerika. München 1976 (dtv 6063, zuerst 1835/1840)

Zeitung (2)  Die Zeitung beschreibt ihre Sujets nicht mehr, geschweige denn, was noch besser, auch nobler wäre, evoziert sie, sondern begrapscht sie — macht sie zu Objekten. - Peter Handke, Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien. Frankfurt am Main 1996

Zeitung (3)  Es ist unmöglich irgendeine Zeitung zu durchblättern, gleichgültig welchen Tages, welchen Monats oder welchen Jahres, ohne darin in jeder Zeile die erschreckendsten Merkmale der menschlichen Perversität zu finden, gleichzeitig mit den überraschendsten Großsprechereien von Anständigkeit, Güte und Nächstenliebe und den unverfrorensten Behauptungen bezüglich des Fortschrittes und der Zivilisation.

Jede Tageszeitung ist von der ersten Linie bis zur letzten ein einziges Gewebe von Greueln. Kriege, Verbrechen, Diebstähle, Unzucht, Folter, Verbrechen der Fürsten, Verbrechen der Nationen, Verbrechen der Privaten, ein allgemeiner Rausch von Gräßlichkeit.

Und dieses ekelerregende Aperitiv nimmt der zivilisierte Mensch täglich des Morgens zu seiner Mahlzeit ein. Alles auf dieser Welt schwitzt Verbrechen aus: Die Zeitung, die Wände und das Antlitz des Menschen.

Ich begreife nicht, wie eine reine Hand eine Zeitung anrühren kann, ohne sich vor Ekel zu verkrampfen. - (cb)

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