ahnarzt  Im August 1910 waren mein Bruder und ich mit unseren Eltern und unserem Hauslehrer (Lenskij) in Bad Kissingen; darauf reisten mein Vater und meine Mutter nach Paris weiter und zurück nach St. Petersburg und dann nach Berlin, wo wir Jungen den Herbst und den Anfang des Winters mit Lenskij verbrachten und unsere Zähne in Ordnung bringen ließen. Ein amerikanischer Zahnarzt - Lowell oder Löwen, ich kann mich an seinen Namen nicht mehr genau erinnern - zog uns ein paar Zähne und schnürte andere mit Zwirn zusammen, bevor er uns mit Spangen verunzierte. Noch höllischer als die birnenförmige Gummipumpe, die heißen Schmerz ins Zahnloch spie, waren die Wattepolster - ich konnte ihre trockene Berührung und ihr Quietschen nicht ertragen -, die zwischen Zahnfleisch und Zunge gesteckt wurden, um dem Operateur die Sache leichter zu machen; und vor den ohnmächtigen Augen befand sich im Fenster ein Transparent, ein trübsinniges Seestück oder graue Weintrauben, die vom dumpfen Nachhall ferner Straßenbahnen unter einem dumpfen Himmel erzitterten. «In den Zelten 18a» - die Adresse kommt auf trochäischen Tanzfüßen in mein Gedächtnis zurück, unmittelbar gefolgt von der wispernden Bewegung der elektrischen Droschke, die uns hinbrachte. Als Entschädigung für diese schrecklichen Vormittage erwarteten wir jede erdenkliche Wiedergutmachung. - (nab)

Zahnarzt (2)    In  Der kleine Horrorladen  tritt Steve Martin in einer Nebenrolle als der sadistische Zahnarzt Orin Scrivello auf. Man sieht Martin am Beginn seines Arbeitstages in einer schwarzen Lederjacke und mit Elvistolle auf seinem Motorrad davonrasen. Er stürzt in seine Praxis, reißt der Puppe eines Kindes den Kopf ab, sehlägt die Sprechstundenhilfe, rammt einem sitzenden männlichen Patienten das Knie zwischen die Beine und singt dabei die ganze Zeit (wie vom Geist eines toten Rockstars besessen) ein eingängiges Lied, das den Rat der Mutter an ihren tyrannischen Nachwuchs wiederholt: »Mein Sohn, werde Zahnarzt.«  - David B. Morris, Geschichte des Schmerzes. Frankfurt am Main 1996 (zuerst 1991)

Zahnarzt (3)  So also stand Paasch in Weiß vor seinem Behandlungsstuhl, Brillengläser und Geräte reflektierten, während er Monteuren und Hochofenarbeitern, Gießern und Formern, Kernmachern und Buchhaltern, Technikern und Bürokräften in den Mund sah, als quäle sie alle der Schrei des Entsetzens, wo es doch nur ein lokaler Schmerz war, der ihnen den Mund verkrampfte und der schon durch eine prophylaktische Behandlung behoben werden konnte, ehe es noch zu Komplikationen kam, oder durch eine Wurzelextraktion, falls doch nichts mehr zu machen war. Täglich dieser Katarakt von Halsschlündcn, aus denen unruhig die Zunge zuckte, die breit in die untere Zahnreihe eingebettet lag, und Paasch führte seine Geräte ein, sendete mit kleinen Handspiegeln, wählte Bohrstifte aus, lokalisierte unbestimmt angedeutete Schmerzsymptome, tat was ihm beigebracht worden war, was er im wiederholten Examen bestätigt hatte, daß es ihm beigebracht worden war, damit er ein nützliches Glied der Gesellschaft werde. Seine Helferin milderte den Schmerz der Injektion und des Bohrstifts einzig durch ihre physische Erscheinung, machte es dem Patienten möglich, aus Schmerzlabyrinthen zurückzufinden in ein vertrautes Dasein. Saßen Frauen auf Paaschs Stuhl, mußten sie selbst für den Schmerz aufkommen. Er war nie besonders zuvorkommend gegen die Weiblichkeit des Betriebs. Er hatte nichts gegen die vom Maschinenöl dunkel gefärbten Fingernägel einzuwenden. Ihre natürliche Anpassung an den Schmerz (der nur Teil sein konnte vom großem Schmerz der Entbindung) war ihm zuwider. Es verärgerte ihn, wie bereitwillig sie den Mund öffneten und mit der Zungenspitze den schmerzenden Zahn hinweisend antippten.  - Fritz Rudolf Fries, Der Weg nach Oobliadooh. Leipzig 1993 (zuerst 1975)

Zahn Mediziner
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