enophobie Red Hook ist ein Irrgarten vermischten Unrats nahe am alten Uferbezirk gegenüber von Governors Island, mit schmutzigen öffentlichen Straßen, die den Hügel von den Werften aus zu höher gelegenem Grund erklimmen, wo die verfallenen Strecken der Clinton und Court Street nach Borough Hall abgehen. Die Häuser sind meist aus Ziegeln und stammen aus dem ersten Viertel oder der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts und einige der dunkleren Gassen und Seitenwege haben eine anziehende, alte Atmosphäre, die die Literatur gewöhnlich »Dickenssch« nennt. Die Bevölkerung ist ein hoffnungsloses Durcheinander und Rätsel, syrische, spanische, italienische und negroide Bestandteile treffen aufeinander, und Fragmente skandinavischer und amerikanischer Viertel liegen nicht weit davon. Es ist ein Babel der Geräusche und des Schmutzes und sendet als Antwort auf das Schwappen der öligen Wogen an seinen schmutzigen Piers und die ungeheueren Orgellitaneien der Dampfpfeifen im Hafen seltsame Schreie aus. Hier war vor langer Zeit das Bild noch heiterer, da waren die klaräugigen Seeleute in den unteren Straßen und Heimstätten von Geschmack und Gehalt, wo die größeren Häuser den Hügel entlang stehen. Man kann den Überbleibseln dieser glücklichen Zeit in der sauberen Linienführung der Gebäude, hier und dort einer anmutigen Kirche und den Zeugnissen echter Kunst und einem Hintergrund von Einzelheiten hier und dort, nachgehen, eine abgenützte Treppenflucht, ein beschädigter Torbogen, ein wurmstichiges Paar alter Pfeilersäulen, oder die Überreste eines einstigen Rasenstückes, mit verbogenem und verrostetem Eisengeländer. Die Häuser bestehen für gewöhnlich aus soliden Steinblöcken, und da und dort erhebt sich eine Kuppel mit vielen Fenstern, die von Zeiten berichtet, als die Haushaltsmitglieder von Kapitänen und Schiffseignern die See beobachteten.
Aus diesem Durcheinander gegenständlicher und geistiger Fäulnis
steigen die Gotteslästerungen von Hunderten von
Dialekten gen Himmel. Scharen von Herumtreibern wanken schreiend und singend
die Wege und Hauptstraßen entlang, gelegentlich löschen Hände verstohlen und
unvermittelt das Licht und ziehen den Vorhang herunter, und dunkelhäutige, von
Sünden zerfressene Gesichter verschwinden von
Fenstern, wenn Besucher des Weges kommen. Polizisten verzweifeln ob der Ordnung
oder der Reformen und versuchen lieber, nach außen hin Schranken zu errichten,
um die Außenwelt vor Ansteckung zu bewahren. Der Klang der Patrouille wird mit
einer Art von geisterhaftem Schweigen beantwortet, und die Gefangenen, die gemacht
werden, sind nie sehr mitteilsam. Die sichtbaren Vergehen sind so verschieden,
wie die Dialekte der Gegend, und durchlaufen : die Skala vom Rumschmuggel zu
unerwünschten Ausländern, durch die verschiedenen Stadien von Gesetzlosigkeit
und heimlichem Laster zu Mord und Verstümmelung in ihren abstoßendsten Formen.
Daß diese sichtbaren Affären nicht häufiger sind, ist nicht das Verdienst der
Umgebung, wenn die Kunst des Verschleierns nicht eine Kunst ist, der Verdienst
gebührt. Es kommen mehr Leute nach Red Hook, als es verlassen - oder, die es
zum mindesten auf dem Landwege verlassen - und die, welche nicht geschwätzig
sind, haben die größte Aussicht, es wieder zu verlassen. Malone entdeckte in
diesem Stand der Dinge den kaum merklichen Gestank
von Geheimnissen, die schrecklicher sind als einige
der Sünden, die von den Bürgern gebrandmarkt und von Priestern und Philanthropen
bejammert werden. Er war sich, wie jemand, der Phantasie mit wissenschaftlichen
Kenntnissen verbindet, bewußt, daß moderne Menschen unter gesetzlosen Bedingungen
unweigerlich dazu neigen, die dunkelsten Instinktvorbilder primitiver Halbaffenwildheit
in ihrem täglichen Leben und ihren rituellen Feiern zu wiederholen, und er hatte
oft mit dem Abscheu des Anthropologen den singenden, fluchenden Prozessionen
triefäugiger und pockennarbiger junger Männer zugesehen, die sich in den dunklen
frühen Morgenstunden dahinschlängelten. Man sah ständig Gruppen dieser jungen
Leute, manchmal standen sie lauernd an Straßenecken Wache, ein andermal in Torbögen,
wo sie seltsam auf billigen Musikinstrumenten spielten, manchrual dumpf vor
sich hindösend oder unanständige Zwiegespräche rund um den Tisch eines Selbstbedienungsrestaurants
in der Nähe von Borough Hall führend und manchmal in geflüsterter Unterhaltung
um schäbige Taxi herum, die an den hohen Freitreppen verfallener alter Häuser
mit geschlossenen Fensterläden vorgefahren waren. Sie erschreckten und faszinierten
ihn mehr, als er gegenüber seinen Mitarbeitern bei der Polizei sich zuzugeben
getraute, denn er schien in ihnen den riesigen Faden geheimer Unendlichkeit
zu sehen, irgendein bösartiges, geheimnisvolles, uraltes Vorbild, das völlig
jenseits und unter der Menge unerfreulicher Tatsachen sowie den Gewohnheiten
und Aufenthaltsorten lag, die mit solch gewissenhafter technischer Sorgfalt
von der Polizei notiert werden. Sie müssen, so fühlte er innerlich, Erben irgendeiner
schrecklichen und urzeitlichen Tradition sein; die Teilhaber entarteter und
zerbrochener Reste von Kulten und Zeremonien, die älter sind als die Menschheit.
Ihr Zusammenhalten und ihre Eindeutigkeit ließen daran denken, und es zeigte
sich in der einzigartigen Andeutung von Ordnung, die
sich unter ihrer schmutzigen Unordnung verbarg. - Aus:
H.P. Lovecraft, Stadt ohne Namen. Frankfurt am Main 1997 (st 2756, Phantastische
Bibliothek 346)
Xenophobie (2)
- N.N.
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