underbett    Er ging hinein in die Kemenate. Kristallen glänzte ihr Estrich, glatt wie Glas, und da war Lît marveile, das Wunderbett. Es lief auf vier Rädern, runden Scheiben aus schimmerndem Rubin, und es lief schneller als der Wind. Die Bettfüße waren gegabelt über den Rädern. Den Estrich muß ich euch preisen: Von Jaspis war der und von Chrysolith und von Sardin, so hatte er es haben wollen, Clinschor nämlich, der ihn entworfen hatte. Aus vielen Ländern hatte seine zauberische Weisheit all die Kunst hierherbestellt, die nötig war, dies Werk zu schaffen. Der Estrich war überall so schlüpfrig glatt, daß Gâwân kaum steuern konnte mit den Füßen; so ging er, wie es eben ging, das war so recht abenteuerlich. Immer wieder, so oft er hintrat an das Bett, fuhr das fort von seiner Stelle, wo es gerade noch gestanden hatte. Gâwân war schon halb verschmachtet vor Anstrengung, weil er den schweren Schild trug, den zu behalten sein Wirt ihm so sehr eingeschärft hatte. Er dachte: ›Wie kann ich zu dir kommen, wenn du immer vor mir Haken schlägst? Ob ich dich vielleicht kriege, wenn ich's mit einem Sprung versuche?‹ Da blieb das Bett vor ihm stehen: Er schnellte empor in einem Satz und sprang genau mitten hinein. Mit ganz unerhört wildem Feuer ging das Bett durch, da schoß es hin und dort: Keine von den vier Wänden ließ es aus, gegen alle rannte es an mit Macht, daß die ganze Burg davon erdröhnte. So ritt er denn viele gewaltige Attacken. Wenn man alles Donnern vom Anbeginn der Welt zusammennähme und dazu sämtliche Trompeter, vom ersten bis zum letzten, in dies Zimmer täte und wenn die dann bliesen, wie sie es tun, wenn sie es bezahlt kriegen, dann könnte da der Lärm nicht größer sein. Gâwân lag im Bett, doch einschlafen konnte er nicht.   - Wolfram von Eschenbach, Parzival. Frankfurt am Main 1993 (zuerst ca. 1200, Übs. Peter Knecht. Die Andere Bibliothek 100)

Wunderbett (2) Mit einem Male läßt der Lärm nach, das Bett rollt aus und bleibt schließlich mitten in der Kemenate stehen. Wäre Gâwân jetzt unter seinem Schild hervorgekrochen, so hätte er damit sein Leben aufs Spiel gesetzt! Denn alsbald prasselt ein Trommelfeuer harter Kieselsteine auf das Bett. Fünfhundert Stockschleudern hatte man aufgeboten, die das Bombardement auslösen. Wie gut, daß Gawän noch immer unter seinem schweren Schild liegt, an dem fast alle Steine abprallen.

Aber dies sollte erst die Einleitung sein; denn nun werden von unsichtbarer Hand fünfhundert oder mehr Armbrüste gespannt, deren Pfeile sich alle auf ein Ziel richten: auf Lît marveile. Und abermals entlädt sich eine Salve; doch auch die fünfhundert Pfeile, die da plötzlich losschnellen, vermögen dem Helden nicht allzuviel anzuhaben. Denn die meisten von ihnen bleiben im Schilde stecken, und d wenigen, die durch Schild und Kettenpan2er dringen, sin in ihrer Kraft immerhin so geschwächt, daß Gäwän ni etliche Stichwunden und Prellungen zu beklagen hat. In; gesamt hat der Unverzagte beide massiv geführten Angriff gut überstanden.

 Nun kommt der Augenblick, den der Fährmann bereit angedeutet hatte, als er davon sprach, daß man meine: könne, das Ende der Bedrängnis sei da. Doch — wie vor ausgesagt — gibt es keine Atempause, denn eilends öffnet sich eine Tür: ein ungezügelter, roher Bursche mit eine. gewaltigen Keule tritt ein und beschimpft Gäwän: Nu: dem Teufel habe er es zu verdanken, daß er noch lebe! Der Held bleibt jedoch gelassen im Bewußtsein der Überlegenheit der eigenen Waffenrüstung. Wutschnaubend ruft ihr der Eindringling an: mit seinem Leben werde es nun wirklich bald vorbei sein! Der ungehobelte Kerl zieht sich daraufhin zurück.

Kaum hat der Held mit dem Schwert die steckengebliebenen Pfeile aus dem Schild gehauen, als er ein lautes Gebrumm vernimmt, Gäwän ist in äußerster Spannung, aber sein Mut wankt nicht! Noch ist nicht auszumachen, was das Brurnrüen zu bedeuten habe, als plötzlich ein überhungerter Löwe von der Größe eines Pferdes in der Tür erscheint und auf Gäwän losgeht. Blitzschnell springt der auf den Estrich, Der riesige Löwe schlägt mit der Vordertatze zu und durchbricht den mächtigen Schild. Im Zurückziehen hätte das Tier beinahe den Schild Gäwäns Hand entrissen, wenn dieser nicht eilends mit dem Schwerte die im Schild eingekeilte Tatze abgeschlagen hatte! Vor Schmerzen und Wut brüllend, faucht der nun dreibeinige Löwe sein Gegenüber an. Ein Blutstrom ergießt sich aus der Wunde und gerinnt am Boden, der dadurch etwas mehr Standfestigkeit gewinnt. Trotz der schweren Verwundung bleibt der Löwe ein überaus gefährlicher Gegner. Höchst unbehaglich ist Gäwän zumute; es ist ein Kampf um Tod oder Leben! Aber der letzte Sprung, mit dem das Untier den Ritter zu Boden reißen will, wird ihm selbst zum Verhängnis: Gäwän sticht zu und trifft tief in des Löwen Brust; tot sinkt der in sich zusammen. - Wolfram von Eschenbach, Parzival. Darmstadt 1967 (zuerst ca. 1200) Hg., Kommentar und hier: Nacherzählung Wolfgang Weber.

Wunderbett (3) Als er so saß, wollten ihm die Augen nicht länger offen bleiben, und er bekam Lust zu schlafen. Da blickte er um sich und sah in der Ecke ein großes Bett, 'das ist mir eben recht,' sprach er und legte sich hinein. Als er aber die Augen zutun wollte, so fing das Bett von selbst an zu fahren, und fuhr im ganzen Schloß herum. 'Recht so,' sprach er, 'nur besser zu.' Da rollte das Bett fort, als wären sechs Pferde vorgespannt, über Schwellen und Treppen auf und ab: auf einmal hopp hopp! warf es um, das unterste zu oberst, daß es wie ein Berg auf ihm lag. Aber er schleuderte Decken und Kissen in die Höhe, stieg heraus und sagte 'nun mag fahren, wer Lust hat,' legte sich an sein Feuer und schlief, bis es Tag war.   - (grim)

Wunderbett (4)

Bett Wunder

 

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme