- Wolfram von Eschenbach,
Parzival. Frankfurt am Main 1993 (zuerst ca. 1200, Übs. Peter Knecht. Die Andere
Bibliothek 100)
Wunderbett (2) Mit einem Male läßt der Lärm nach, das Bett rollt aus und bleibt schließlich mitten in der Kemenate stehen. Wäre Gâwân jetzt unter seinem Schild hervorgekrochen, so hätte er damit sein Leben aufs Spiel gesetzt! Denn alsbald prasselt ein Trommelfeuer harter Kieselsteine auf das Bett. Fünfhundert Stockschleudern hatte man aufgeboten, die das Bombardement auslösen. Wie gut, daß Gawän noch immer unter seinem schweren Schild liegt, an dem fast alle Steine abprallen.
Aber dies sollte erst die Einleitung sein; denn nun werden von unsichtbarer Hand fünfhundert oder mehr Armbrüste gespannt, deren Pfeile sich alle auf ein Ziel richten: auf Lît marveile. Und abermals entlädt sich eine Salve; doch auch die fünfhundert Pfeile, die da plötzlich losschnellen, vermögen dem Helden nicht allzuviel anzuhaben. Denn die meisten von ihnen bleiben im Schilde stecken, und d wenigen, die durch Schild und Kettenpan2er dringen, sin in ihrer Kraft immerhin so geschwächt, daß Gäwän ni etliche Stichwunden und Prellungen zu beklagen hat. In; gesamt hat der Unverzagte beide massiv geführten Angriff gut überstanden.
Nun kommt der Augenblick, den der Fährmann bereit angedeutet hatte, als er davon sprach, daß man meine: könne, das Ende der Bedrängnis sei da. Doch — wie vor ausgesagt — gibt es keine Atempause, denn eilends öffnet sich eine Tür: ein ungezügelter, roher Bursche mit eine. gewaltigen Keule tritt ein und beschimpft Gäwän: Nu: dem Teufel habe er es zu verdanken, daß er noch lebe! Der Held bleibt jedoch gelassen im Bewußtsein der Überlegenheit der eigenen Waffenrüstung. Wutschnaubend ruft ihr der Eindringling an: mit seinem Leben werde es nun wirklich bald vorbei sein! Der ungehobelte Kerl zieht sich daraufhin zurück.
Kaum hat der Held mit dem Schwert die steckengebliebenen Pfeile aus dem Schild
gehauen, als er ein lautes Gebrumm vernimmt, Gäwän ist in äußerster Spannung,
aber sein Mut wankt nicht! Noch ist nicht auszumachen, was das Brurnrüen zu
bedeuten habe, als plötzlich ein überhungerter Löwe von der Größe eines Pferdes
in der Tür erscheint und auf Gäwän losgeht. Blitzschnell springt der auf den
Estrich, Der riesige Löwe schlägt mit der Vordertatze zu und durchbricht den
mächtigen Schild. Im Zurückziehen hätte das Tier beinahe den Schild Gäwäns Hand
entrissen, wenn dieser nicht eilends mit dem Schwerte die im Schild eingekeilte
Tatze abgeschlagen hatte! Vor Schmerzen und Wut brüllend, faucht der nun dreibeinige
Löwe sein Gegenüber an. Ein Blutstrom ergießt sich aus der Wunde und gerinnt
am Boden, der dadurch etwas mehr Standfestigkeit gewinnt. Trotz der schweren
Verwundung bleibt der Löwe ein überaus gefährlicher Gegner. Höchst unbehaglich
ist Gäwän zumute; es ist ein Kampf um Tod oder Leben! Aber der letzte Sprung,
mit dem das Untier den Ritter zu Boden reißen will, wird ihm selbst zum Verhängnis:
Gäwän sticht zu und trifft tief in des Löwen Brust; tot sinkt der in sich zusammen.
- Wolfram von Eschenbach,
Parzival. Darmstadt 1967 (zuerst ca. 1200) Hg., Kommentar und hier: Nacherzählung
Wolfgang Weber.
Wunderbett (3) Als er so saß, wollten ihm die Augen nicht
länger offen bleiben, und er bekam Lust zu schlafen. Da blickte er um sich und
sah in der Ecke ein großes Bett, 'das ist mir eben recht,' sprach er und legte
sich hinein. Als er aber die Augen zutun wollte, so fing das Bett von selbst
an zu fahren, und fuhr im ganzen Schloß herum. 'Recht so,' sprach er, 'nur besser
zu.' Da rollte das Bett fort, als wären sechs Pferde vorgespannt, über Schwellen
und Treppen auf und ab: auf einmal hopp hopp! warf es um, das unterste zu oberst,
daß es wie ein Berg auf ihm lag. Aber er schleuderte Decken und Kissen in die
Höhe, stieg heraus und sagte 'nun mag fahren, wer Lust hat,' legte sich an sein
Feuer und schlief, bis es Tag war. - (
grim
)
Wunderbett (4)
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