Wolfspudel   Der Hund wurde unruhig. Er versuchte von der Leine loszukommen.

Mitgefühl oder ich weiß nicht, wie ich es nennen soll, zwang mich zu einem neuen Angebot: „Fünf Mark."

Schnell schlug der Auktionator zu. Der Hund gehörte mir.

Mohrchen war ein Pfandhund. Die Erlebnisse der Pfändung und der Versteigerung hatten genügt, um ihn gegen Hunde und Menschen mißtrauisch zu machen. Dagegen war er, im Gegensatz zu vielen seiner Artgenossen, ein großer Katzenfreund.

Während der ersten Tage, die er bei uns war, versuchte er immer, sich zu verkriechen. Gab keinen Laut von sich. Das richtige für einen Wachhund, dachten wir. Dann aber faßte er Vertrauen zu mir, und nachdem es uns zweimal gelungen war, ihn vom Tode gesund zu pflegen (einmal hatte er sich anscheinend vergiftet, das andere Mal bekam er eine Genickstarre), war er mir bis zu seinem letzten Atemzug mit der sprichwörtlichen Hundetreue zugetan.

Als wir in die Stadt gezogen waren, fehlte ihm die Katze. Sah er eine auf der Straße, lief er auf sie zu, bezeigte ihr seine Freundschaft und ließ sich auch durch ihr Fauchen oder Kratzen nicht beirren. Um seine Sehnsucht zu erfüllen, beschlossen wir, eine neue Katze ins Haus zu nehmen, und eines Tages brachte ich einen kleinen gestromten Kater an, etwa drei Monate alt, die Beine ein bißchen rachitisch gebogen, mit einem Wort: ein nettes Tierchen, das Willi hieß. Der Hund war selig.

Die beiden Tiere spielten miteinander, sie fraßen aus einem Napf, schliefen in einem Korb, das heißt, Willichen schlief im Hundekorb, und Mohrchen mußte sich einen anderen Platz suchen. Die Katze stahl die Wurst, und der Hund fraß sie auf. Wenn einer von beiden gerufen wurde, kamen immer gleich beide. Das waren die Freunde Tiere.

Mohrchen hatte übrigens wieder Pech: es blieb ihm auch bei uns nicht erspart, wegen nicht gezahlter Hundesteuer gepfändet zu werden. Aber wir haben ihn wenigstens vor der Versteigerung bewahrt. Der Steuerbeamte, der zu uns kam, verlangte für den Pfändungsakt die genaue Defmierung von Mohrchens Rasse.

„Er ist ein Wolfsspitz."

„Nee", sagte der Mann, „fürn Spitz ist er zu dick. Ich schreibe Wolfspudel." Und ließ sich auch durch meine Argumente, daß es eine solche Hunderasse gar nicht gäbe, nicht davon abbringen. Dann sollte am Platz des Hundes die Pfändungsmarke angebracht werden, der berüchtigte Kuckuck. Aber unser Mohrchen hatte viele Plätze. Er hatte sich nach seinen zwei Krankheiten angewöhnt, alle Plätze, die weich und bequem waren, zu okkupieren...  - Cläre Jung, Paradiesvögel. Erinnerungen. Hamburg (ca.) 1980

 

Pudel

 

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