ohltat Das
Leben schien ihm verhaßt, und er beschloß, sich durch einen Strick,
den ihm der Zufall gelassen hatte, den Tod zu geben. Eben stand er, wie schon
gesagt, an einem Wandpfeiler, und befestigte den Strick, der ihn dieser jammervollen
Welt entreißen sollte, an eine Eisenklammer, die an dem Gesimse derselben eingefugt
war; als plötzlich der größte Teil der Stadt, mit einem Gekrache, als ob das
Firmament einstürzte, versank, und alles, was Leben atmete, unter seinen Trümmern
begrub. Jeronimo Rugera war starr vor Entsetzen; und gleich als ob sein ganzes
Bewußtsein zerschmettert worden wäre, hielt er sich jetzt an dem Pfeiler, an
welchem er hatte sterben wollen, um nicht umzufallen. Der Boden wankte unter
seinen Füßen, alle Wände des Gefängnisses rissen, der ganze Bau neigte sich,
nach der Straße zu einzustürzen, und nur der, seinem langsamen Fall begegnende,
Fall des gegenüberstehenden Gebäudes verhinderte, durch eine zufällige Wölbung,
die gänzliche Zubodenstreckung desselben. Zitternd, mit sträubenden Haaren,
und Knieen, die unter ihm brechen wollten, glitt Jeronimo über den schiefgesenkten
Fußboden hinweg, der Öffnung zu, die der Zusammenschlag beider Häuser in die
vordere Wand des Gefängnisses eingerissen hatte. Kaum befand er sich im Freien,
als die ganze, schon erschütterte Straße auf eine zweite Bewegung der Erde völlig
zusammenfiel. Besinnungslos, wie er sich aus diesem allgemeinen Verderben retten
würde, eilte er, über Schutt und Gebälk hinweg, indessen der Tod von allen Seiten
Angriffe auf ihn machte, nach einem der nächsten Tore der Stadt. Hier stürzte
noch ein Haus zusammen, und jagte ihn, die Trümmer weit umherschleudernd, in
eine Nebenstraße; hier leckte die Flamme schon, in Dampfwolken blitzend, aus
allen Giebeln, und trieb ihn schreckenvoll in eine andere; hier wälzte sich,
aus seinem Gestade gehoben, der Mapochofluß auf ihn heran, und riß ihn brüllend
in eine dritte. Hier lag ein Haufen Erschlagener, hier ächzte noch eine Stimme
unter dem Schutte, hier schrieen Leute von brennenden Dächern herab, hier kämpften
Menschen und Tiere mit den Wellen, hier war ein mutiger Retter bemüht, zu helfen;
hier stand ein anderer, bleich wie der Tod, und streckte sprachlos zitternde
Hände zum Himmel. Als Jeronimo das Tor erreicht, und einen Hügel jenseits desselben
bestiegen hatte, sank er ohnmächtig auf demselben nieder.
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Heinrich von Kleist, Das Erdbeben in Chili
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