Wohltätigkeitsveranstaltung   Eine erstklassige Veranstaltung, es ging um irgendeinen guten Zweck, viele bekannte Leute aller Nationalitäten, die haut monde, wohin man auch blickte. Das Orchester hatte gestreikt! Aber nach einer längeren Pause ging es dann weiter. Das Ballett Salade gefiel mir gut, aber das lag vielleicht nur an der Kleinen, die sich Knie und Ellbogen auszurenken versuchte, um die ihr aufgegebenen eckigen Posen einzunehrnen. Als ich H. D. gegenüber bemerkte, diese Nummer hätte mir gefallen, lachte sie bloß auf ihre hintergründige, provozierende Art, als wollte sie sagen: »Typisch!« Ebenfalls hervorragend waren »Gigue« und die »Blaue Donau«.

Ich fühlte mich fehl am Platz, befangen und einsam in dieser Sippschaft. Meine Kleidung war unmöglich, mein Benehmen noch schlimmer. Aus dem Trinken machte ich mir nichts, weniger als nichts, wie immer. Ich nahm mich zu sehr in acht dabei, hatte nicht die Absicht, damit weiterzumachen. Von all diesen talentierten Leuten, selbst von denen meiner Clique, hatte keiner ein offenes Gesicht. Ich sah Frauen, die den Eindruck erweckten, als wollten sie sich öffnen, aber die einzige, für die ich irgend etwas empfand, war die junge Tänzerin, die das Solo in dem Ballett Salade getanzt hatte. Alle anderen waren verschlossen, fest verschlossen, und ihre Augen glichen denen von irgendwelchen Meerestieren, die unter einem Felsen versteckt auf der Lauer liegen. Schon das, was ich von meinen eigenen Bekannten wußte - die schmerzlichen Einzelheiten, Habgier, Hurerei, Hysterie -, erschien mir wenig reizvoll. Das Ganze war eine gallertartige Masse, die auf einem Schatz hockte; eine Rheingold-Musik. Gemein und berechnend waren sie, und dies nicht nur mir gegenüber, sondern auch untereinander; sie blieben so lange, wie das Geld ihrer Aufmerksamkeit wert war. Ich brauchte nur ihre Bewegungen zu sehen, ihre Schäbigkeit, ihre Grimassen und selbst ihre Art, zu stehen oder auf einem Stuhl zu sitzen, und schon mußte ich sie hassen. Sie offenbarten mir zu deutlich (wenn man Augen im Kopf hatte), wie die Hand dargeboten und Essen in den Mund geschoben wurde, abscheulich genug bei meinen eigenen Freunden; was sollte man da erst von der ganzen Masse dieser tanzenden lachenden Gestalten halten? Sie waren, könnte man sagen, vollkommen gleichgültig, nicht nur der Darbietung auf der Bühne, sondern auch mir gegenüber. Ihr Leben und ihre Unternehmungen waren (naturgemäß) wesentlich komplizierter als das Tanzen und die Musik. Die kleine Ballerina konnte sich abmühen, wie sie wollte, mochte sich bei ihren grotesken Schrittfolgen schier die Knochen brechen, aber mit all dem kam sie nie an das heran, was vor ihr lag.

So daß die Gleichgültigkeit dieser verkrampften Menge französischer Gesellschaftsroboter gegenüber Tanz und Musik in gewisser Weise (ich wußte nur nicht, in welcher) gerechtfertigt war. Sie sahen zu und gaben nichts von sich preis.   - (wcwa)

Wohltat

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